Die optimistische Grundstimmung im europäischen Wirtschaftsraum bleibt bislang ungetrübt. In dieser Ausgabe der DHL Road Freight Market News blicken wir auf wichtige Details und Trends der ersten drei Monate des Jahres 2023. Wo steht die EU-Wirtschaft nach dem 1. Quartal 2023 und wie entwickelt sich der europäische Straßengüterverkehr? Einen Überblick zu den Ereignissen der Quartalsmitte finden Sie in unserer letzten Ausgabe.
Vorsichtiger Optimismus für die Gesamtwirtschaft
Auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach wie vor eine starke Belastung für die weltweite ökonomische Entwicklung darstellen, verfestigt sich zum Ende des Quartals sowohl unter Wirtschaftsexpert:innen als auch in den Unternehmen selbst ein verhalten positiver Trend.
Während zu Beginn des Jahres die Weltbank noch davon ausging, dass sich das globale Wachstum aufgrund des anhaltend hohen Preisniveaus und gestiegener Zinssätze verlangsamen würde, weisen einzelne Indikatoren seit Jahresanfang eine gedämpft positive Stimmung auf. So meldet beispielsweise S&P Global eine verbesserte Prognose für das europäische Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2023: Während im Januar noch mit einer Stagnation für 2023 gerechnet wurde, verbesserte sich die Aussicht im Februar auf 0,4 % Wachstum und im März sogar auf 0,5 %. Ein Schlüsselfaktor der Verbesserung stellt dabei der nachlassende Inflationsdruck dar, welcher im weiteren Verlauf des Artikels näher beleuchtet wird. Daneben sorgt auch die Öffnung Chinas nach mehreren Jahren pandemiebedingter Isolation für positive Zeichen innerhalb der Wirtschaft.
Auch im globalen Maßstab wächst im März die Hoffnung auf eine Verbesserung der Konjunktur. Für 2023 hat die OECD ihre Prognose für das weltweite Wachstum des BIP von 2,2% auf 2,6% angehoben (und für 2024 von 2,7% auf 2,9%). Auch in der größten europäischen Volkswirtschaft Deutschland erwartet die OECD ein leichtes Wachstum – allerdings bleiben die prognostizierten 0,3% hinter anderen europäischen Industriestaaten zurück.
Die OECD-Annahmen für Deutschland decken sich mit der Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweisen) sowie des IfW Kiel (Institut für Weltwirtschaft). Beide gehen im Vergleich zu ihren Prognosen aus dem Herbst 2022 inzwischen von einer leichten Verbesserung der deutschen Wirtschaft aus: Die Wirtschaftsweisen sind mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,2 % vorsichtiger, während das IfW Kiel sogar 0,5 % für 2023 prognostiziert. Die verbesserten Aussichten in Deutschland stützen sich sowohl auf einer leichten Stimmungsaufhellung bei den Unternehmen als auch bei den Konsumenten. So setzt der GfK-Konsumklima-Index seine Erholung seit Oktober 2022 auch im März fort, bleibt aber trotzdem weiterhin im negativen Bereich. Auch der ifo-Geschäftsklimaindex steigt zum fünften Mal in Folge auf 93,3 Punkte im März, von 91,1 zuletzt im Februar.
Trotz vorsichtigem Optimismus und sinkender Inflation bleiben wirtschaftliche Risiken bestehen
Wie bereits angemerkt, ist in erster Linie der nachlassende Inflationsdruck Schlüsselfaktor für die wirtschaftlichen Verbesserungen und Stimmungsaufhellung unter Marktteilnehmern. Für die gesamte EU ist der Wert, nach dem Rückgang seit Herbst 2022, im März 2023 weiter rückläufig: Laut Zahlen von Eurostat, sank die jährlich erwartete Inflationsrate in der EU von 10 % im Dezember 2022 auf 8,5 % im Januar 2023, wo sie im Februar verharrte und im März letztlich auf 6,9 % absank. Damit hält der leichte Rückgang der Teuerungsrate seit Herbst 2022 an, bleibt aber dennoch auf hohem Niveau.
Im gesamten ersten Quartal lagen die höchsten Inflationsraten wie schon im Vorjahr im Baltikum (zuletzt im März in Lettland bei 17,3 %, in Estland bei 15,6 % und in Litauen bei 15,2 %). In Deutschland liegen die Werte mit einer erwarteten jährlichen Inflationsrate von 7,8 % im März 2023 über dem EU-Durchschnitt. Allerdings ist zu beachten, dass für die März-Werte die Vergleichsdaten aus dem März des Vorjahres – nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs – bereits deutlich höher lagen. Dieser Basiseffekt verzerrt den Blick auf die Preisentwicklung.
Langfristig besteht weiterhin die Hoffnung, dass die Inflation stärker zurückgehen könnte. Steigende Zinsen, geringere Engpässe in den Lieferketten und sinkende Preise für Energie könnten die Inflationsrate im Jahr 2024 laut OECD deutlich auf 3,1 % absenken.
Trotz der genannten Entwicklungen, steht die Wirtschaft weiterhin vor großen Herausforderungen:
Nicht nur die beständige Ungewissheit wegen des nicht absehbaren Verlaufs des Ukrainekriegs oder weitere geopolitische Konflikte, wie jene zwischen den USA und China, geben Anlass zur Sorge. Dies tut bspw. auch die Leitzinserhöhung im März seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 3,5 %. Denn hohe Leitzinsen können zu einem konjunkturellen Bremsfaktor werden, wenn sich die Auftragslage der Industrie kritisch entwickelt und sich ein Abschwung im industriellen Sektor mit Verzögerung auch in anderen Wirtschaftsbereichen niederschlägt.
Wie angespannt die Stimmung in der Industrie trotz verbesserten Prognosen weiterhin bleibt, zeigen zusätzliche Indikatoren. Der Manufacturing PMI von S&P Global zeigt bspw. nach einer leichten Erholung im Vormonat Februar, auf 48,5 Punkte, nun einen leichten Rückgang im März, auf 47,3 Punkte, auf. Auch der Economic Sentiment Indicator (ESI) der Europäischen Kommission zur Einschätzung der Stimmung von Unternehmen und Kunden in der EU verzeichnet, nach einem leichten Anstieg zu Beginn des Jahres, im März einen dezenten Rückgang.
Zusätzlich fördern auch die Turbulenzen im Bankensektor, zuletzt mit der Übernahme der Credit Suisse durch UBS, nicht gerade den Anstieg des Optimismus hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Jahr. Eine weltweite Finanzkrise wie 2008 nach dem Kollaps von Lehman Brothers erscheint aktuell zwar unwahrscheinlich aber in Kombination mit möglichen weiteren Leitzinserhöhungen bleibt der moderate Anstieg der europäischen Wirtschaftsleistung seit Jahresanfang eine fragile Erscheinung.
Entwicklungen im Straßengüterverkehrsmarkt
Die Entspannung hinsichtlich der kapazitiven Engpasslage, die bereits per Q4 2022 deutlich wahrzunehmen war, besteht auch in Q1 2023 weiter fort. Nachdem im Februar 2023 erstmals ein Überhang an Kapazitäten gemessen wurde (46:54), verzeichnet das Transportbarometer von TIMOCOM im März erneut einen leichten Rückgang der verfügbaren Laderaumkapazitäten mit einem Verhältnis von 49 % Frachtanteil gegenüber 51 % verfügbarem Laderaumanteil. Diese Entwicklung lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Saisonalität des Straßentransportmarktes zurückführen, da insbesondere die Wochen um die Ostertage meist durch Volumenanstiege geprägt sind.
Darauf lässt sich auch die aktuelle Prognose seitens TIMOCOM zurückführen, die im April auf einen, wenn auch geringen, Kapazitätsengpass hinweist.
Preisniveau der Frachtraten kühlt sich nur langsam ab
Mit Blick auf relevante Faktoren für Frachtraten wird ersichtlich, dass nicht nur das Angebot freier Kapazitäten im ersten Quartal 2023 höher war als die Quartale zuvor, sondern auch die Dieselpreise weiter rückläufig sind. Verharrte bis zum Januar der Dieselpreis für die 27 europäischen Mitgliedsstaaten im gewichteten Mittel bei 1,80 Euro/Liter, sinkt dieser inzwischen und liegt in Kalenderwoche 13 laut Eurostat bei 1,66 Euro pro Liter.
Zum Ende des 1. Quartals haben sich diese Entwicklungen allerdings noch nicht großflächig in den allgemeinen Frachtpreisen für den Landverkehr niedergeschlagen, denn die allgemeinen Frachtpreise schwächen sich seit Anfang des Jahres nur geringfügig ab. Ein deutlicher Trend ist allerdings bei den Spotpreisen zu erkennen: Nach den sehr hohen Raten im Laufe des letzten Jahres, schlagen sich nun die verfügbaren Kapazitäten im Markt nieder, die zu einem erhöhten Wettbewerb zwischen den Spediteuren führen und folglich deutliche Vergünstigungen der Spotraten mit sich bringen.
Konkrete Aussagen zur zukünftigen Entwicklung des Preisniveaus lassen sich aktuell nur schwer treffen. Unter der Annahme, dass weiterhin ausreichend Kapazität am Markt verfügbar sein wird, könnte von einer Entspannung der Frachtpreise ausgegangen werden. Es ist jedoch ebenfalls erdenklich, dass die Frachtpreise, insbesondere aufgrund von Mauterhöhungen in diversen europäischen Ländern sowie steigenden Lohnkosten, weiterhin auf hohem Niveau verharren werden.
Die Marktlage zusammengefasst
Zum Ende des Quartals wird für das Jahr 2023 von einem verbesserten, aber nur leichten Wirtschaftswachstum im Euroraum ausgegangen. Getrübt wird die Aussicht jedoch durch das aktuelle Marktumfeld, das wegen andauernder und neuer Risiken – wie jüngst die Turbulenzen im Bankensektor – volatil bleibt.
Im europäischen Straßengüterverkehr spiegelt die aktuelle Kapazitätsentwicklung die positive aber dennoch gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung wider. Abgesehen von den Spotpreisen, scheinen die Frachtpreise seit Anfang des Jahres nur langsam zu sinken.
Ausblick auf die weitere Entwicklung
Die unsichere Wirtschaftslage in Krisenzeiten erlaubt keine zuverlässigen Prognosen für die kommenden Monate. Gerade die Aussichten für den europäischen Straßengüterverkehrsmarkt hängen von verschiedenen unvorhersehbaren Faktoren ab. Nach den zumeist positiven Trends des ersten Quartals besteht jedoch die Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Aufhellung weiter fortsetzt.
Im Vergleich zum Vorjahr, in dem sich die Geschehnisse schier überschlagen haben, hat sich die Taktung neuer Ereignisse aber nun deutlich verlangsamt. Aus diesem Grund werden wir künftig nur noch quartalsweise von den wichtigsten Veränderungen, Fakten und Trends berichten. Das nächste Update erscheint dann Anfang Juli und darin finden Sie wieder einen Überblick der Marktgeschehnisse und der damit einhergehenden Implikationen auf den Straßentransportmarkt. So stellen wir weiterhin eine offene und transparente Kommunikation sicher – denn die hat für DHL Freight oberste Priorität.