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Zustellung 2020 – wohin uns die Technologie führen wird

Die Digitalisierung erreicht die Lieferkette. Bis 2020 wird sie ihre komplette Wirkung entfaltet haben. Was bedeutet das für die Logistikbranche, und wie kann sie sich darauf vorbereiten? Ein Essay von Dr. Michael Lierow

Dr. Michael Lierow, Partner bei Oliver Wyman in München [Foto: André Gottschalk im Auftrag von Delivered.,DHL]
Dr. Michael Lierow, Partner bei Oliver Wyman in München [Illustration: André Gottschalk im Auftrag von Delivered., DHL]

Drohnen, Amazon Flex, Uber, Crowd-Delivery-Dienste, In-store-Produktion, 3D-Druck, autonomes Fahren ... Das sind die Schlag- und Reizwörter aus den Tech-Blogs, die sich derzeit mit Innovationen in der Lieferkette auseinandersetzen. Wird Lieferung im Jahr 2020 wirklich anders aussehen als heute? Werfen wir einen Blick auf das, was wir wissen und was wir nicht wissen – und ziehen unsere Schlüsse daraus.

Das erste und das letzte Wort hat der Kunde. Er wird mit seiner Nachfrage bestimmen, wie Lieferketten künftig auszusehen haben. Im 2B-Bereich wird es um Service-Leistungen beispielsweise rund um Auto-Ersatzteile, IT-Server und Maschinen gehen; das 2C-Geschäft wird  weitgehend getrieben sein von immer neuen Spielarten des E-Commerce.

Customer Convenience

Im Mittelpunkt stehen die Anforderungen des Kunden. Er wird nach unterschiedlichen Liefergeschwindigkeiten und differenzierten Auslieferungen fragen, nach von ihm vorgegebenen Lieferzeiten oder auch nach Optionen für Retouren und Verpackung. Convenience im Sinne von Bequemlichkeit des Kunden betrifft aber auch mehr und mehr die Produktgestaltung. Das reicht von der Individualisierung eines Laufschuhs über die Vor-Ort-Installation eines Smart-TVs oder einer Hi-Fi-Anlage bis hin zum automatischen Auffüllen von Vorräten. Es wird deutlich, dass es hier nicht nur um Liefer-Geschwindigkeit – siehe die 90-Minuten-Zustellung von Amazon – geht, sondern ganz gezielt um maßgeschneiderte Mehrwertdienste. Beispiele: „Sammeln Sie alle Pakete und stellen Sie sie mir am Samstagmorgen zu, wenn ich mit der Familie zu Hause bin"; oder „Installieren Sie den Flat Screen noch heute Morgen, damit ich die Fußballspiele am Nachmittag nicht verpasse.“

So wird der Kundennutzen immer stärker zum Motor für Zustellung, Logistik und sogar Produktion. Im Jahr 2020 werden wir in den Lieferketten eine sehr viel höhere Integration aller Schritte von der Bestellung bis hin zur Auslieferung erleben, die von der Digitalisierung vorangetrieben wird. Künftig wird jedes Gut seinen Weg so wählen, dass es die Kundenwünsche mit möglichst geringem Aufwand erfüllt und den Kunden sowie seine Zahlbereitschaft damit optimal bedient.

Man kann die Frage stellen, warum diese Entwicklung nicht schon vor zehn Jahren begonnen hat. Die Antwort ist nicht schwer: Erst im derzeitigen Jahrzehnt sind die notwendigen Faktoren dafür ins Spiel gekommen: die steigende Verfügbarkeit von Kundendaten, digitale Informationen über aktuelle Verbraucherwünsche, die Möglichkeit, diese Daten zu verarbeiten und die Warenströme entsprechend zu lenken.

Es ist die Reise von der Stapelverarbeitung zur Echtzeit-Prognose und -Analyse. Im Jahr 2020 werden mobile Geräte wissen, wann und wo der Verbraucher am besten für ein Produkt ansprechbar ist. Und Maschinenlernalgorithmen können nicht nur vorhersagen, wann und wo das Produkt dem Verbraucher begegnen sollte; sie prognostizieren auch sein Interesse an ihm, also  seine Zahlbereitschaft.

Schlussfolgerungen

Allein aus der wachsenden Bedeutung von Kundennutzen und Digitalisierung lassen sich signifikante Rückschlüsse ziehen:

  • Die Vielfalt der Zustelloptionen wird weiter wachsen – insbesondere in urbanen Räumen. Dieser Prozess wird so lange anhalten, wie sich der Verbrauchernutzen damit weiter erhöhen lässt – und solange der Kunde dafür bereit ist zu bezahlen.
  • So werden wir mehr Lieferungen per Drohne erleben, mehr integrierte Lösungen von Drohnen und Paketstationen, mehr AmazonFlex-ähnliche Dienste, die ein hohes Serviceniveau bei niedrigen Fixkosten ermöglichen. Eine bedeutende Rolle spielt nach wie vor der klassische Auslieferungsservice über die Straße bis zur Haustür.
  • Erfolgsentscheidend wird es sein, die verschiedenen Supply-Chain- und Lieferoptionen zu einem nahtlosen Supply-Chain-Netzwerk zu verbinden – weg vom heutigen Ansatz, für alle Auslieferungen denselben Transportweg zu wählen. Zwei Beispiele mögen das erklären: Maßgefertigte Laufschuhe könnten dem Verbraucher direkt ins Paketschließfach eines Drohnendepots geflogen werden. Neue Windeln werden vom Kunden durch Drücken der Dash-Taste bestellt, während gleichzeitig der Vorhersagealgorithmus schon dafür gesorgt hat, dass die Windeln bereits im Paketlieferwagen deponiert wurden.
  • Fraglich ist, ob die derzeitigen Player der Lieferketten das Geschehen auch 2020 noch beherrschen werden. Das ist zwar durchaus vorstellbar, wird aber in der Branche mehr Innovation und Change-Management als bisher erfordern. Die Prioritäten werden sich in Richtung Datenmanagement verschieben, hin zu Analyse und Weiterentwicklung von Plattformen und Schnittstellen. Neue Spezialkenntnisse werden gefragt sein: Das Management von Drohnenflotten oder der Batteriewechsel von selbstfahrenden Fahrzeugen an den Schließfachstationen sind nur zwei Beispiele dafür. Letztlich ist es eine strategische Frage, welche Elemente der Lieferkette die Logistikunternehmen selbst kontrollieren sollen und wo Partnerschaften und ein gemeinsamer Wertschöpfungsansatz nützlicher wären.

Wer wird gewinnen? Was sollten die Unternehmen tun, um sich schon heute, im Jahr 2016,  auf das Jahr 2020 vorzubereiten? Wer gewinnen will, muss konsequent handeln:

  • 2B- und 2C-Verbraucher und ihre Bedürfnisse verstehen. Notwendig hierzu: Zugriff auf Verbraucherdaten, sie sinnvoll verknüpfen und aus unterschiedlichen Datenquellen die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Player, die hier aktiv werden wollen, müssen sich sputen: Der noch junge Markt wird in den kommenden sechs bis zwölf Monaten aufgeteilt sein.
  • Gemeinsam mit horizontalen und vertikalen Partnern Auslieferungs-Lösungen mit hohem Kundennutzen entwickeln.
  • Schneller und flexibler werden. Nicht in den Grenzen fester Budgets denken, lieber über „Versuch und Irrtum“ schnell neue Ideen testen.

Die Lieferketten des Jahres 2020 werden sich von den heutigen diametral unterscheiden. Wir stehen am Beginn der Digitalisierung der Logistik. Bis 2020 wird sie in vollem Gange sein, mit neuen Spielern und neuen Konfigurationen, mit einem zentralen Ziel: Sie müssen ihre Kunden besser verstehen und besser bedienen.

Dr. Michael Lierow ist Partner bei Oliver Wyman in München. In den Beratungsbereichen Transport und Einzelhandel unterstützt er Post-, Paket- und Logistikunternehmen, Einzelhändler und weitere multinationale Unternehmen auf dem europäischen Markt. Seine Beratungsschwerpunkte umfassen die Themen Strategy, Operations, Supply Chain und Multi-Channel.

Dieser Beitrag erschien in Delivered., dem globalen Logistik-Magazin von DHL.

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