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Logistik Trends 2023: Resilienz der Lieferketten digital und nachhaltig sichern

DHL Freight Logistics trends 2023

Wie wichtig funktionierende logistische Lieferketten für die Weltwirtschaft und die Bevölkerung sind, haben die politischen Ereignisse des Jahres 2022 wieder gezeigt. Das schlägt sich in den zukünftigen Trends und Herausforderungen in der Logistik nieder. Hier geht es weiterhin vor allem um Aspekte der Digitalisierung, aber mit einem verstärkten Fokus darauf, Lieferketten durch Transparenz, Vernetzung und Automatisierung resilienter zu machen – ohne die Nachhaltigkeit aus dem Auge zu verlieren. Wichtige Entwicklungen für das kommende Jahr stellen wir in diesem Ausblick auf 2023 vor.

Networking, Robotik, Big Data, KI oder Blockchain: Was die Schlagwörter der Logistiktrends für 2023 betrifft, so hat sich gegenüber den Trends 2022 und ihren Innovationsansätzen im Wesentlichen nichts geändert. Neu sind die Erfahrungen der vergangenen zwölf Monate: Wenn ein bedeutender (und in vielen Bereichen der wichtigste) Lieferant von Rohstoffen und Produzent von Konsum- und Industriewaren sich dem Welthandel entzieht, kommen Lieferketten mindestens ins Stocken. Waren 2021 noch sehr viele Wirtschaftsstandorte im Dornröschenschlaf, gab es 2022 nurmehr in China Lockdowns. Dennoch waren ihre Auswirkungen weltweit spürbar.

Eine zweite lang nachwirkende Lektion für die Logistik der Zukunft hat der russische Angriff auf die Ukraine erbracht: Wenn ein Verkehrsträger komplett ausfällt – in diesem Fall bis zum Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine der Seeweg über das schwarze Meer – kann das sogar Hunger auf einem anderen Kontinent zur Folge haben. Nun ist der Schiffstransport aufgrund seiner Frachtkapazitäten per se nicht ersetzbar, aber ein besseres Schienennetz zwischen der Ukraine und Mittelmeer-, Ost- oder Nordseehäfen hätte den Ausfall zumindest abmildern können.

Multichannel-Logistik: 2023 wichtiger denn je

Dadurch hat 2022 noch mehr als die vorhergegangenen Jahre demonstriert, dass eindimensional angelegte Lieferketten unter bestimmten Bedingungen zusammenbrechen können. Deshalb ist die Multichannel-Logistik, die alle relevanten Verkehrsträger berücksichtigt, für 2023 und die weitere Zukunft noch relevanter geworden. Ausweichmöglichkeiten – Schiene statt See im kontinentalen Bereich oder Straße statt Schiene – können Überlastungen ausgleichen, Verstopfungen überwinden und die Lieferkette aufrechterhalten.

Wohin steuert die Weltwirtschaft?

Nach den Ereignissen des letzten Jahres rücken zwangsläufig neben der Effizienz der Lieferketten auch deren Resilienz und Flexibilität stärker in den Fokus – wobei der Klimaschutz als Jahrtausendaufgabe nichts an seiner Dringlichkeit eingebüßt hat.

Hinzu kommt die derzeitige Wirtschaftslage, die geprägt ist von weltweiter Inflation und einer drohenden Rezession. Wenn die globale Wirtschaft weiterhin auf Rezession in zahlreichen Ländern zusteuert, wird die Verbrauchernachfrage 2023 wahrscheinlich zurückgehen. Eine rückläufige Nachfrage könnte auf ein Überangebot treffen, was die Unternehmen und ihre Lieferkettenplanung vor neue Schwierigkeiten stellen könnte. Hier sind sorgfältige Planung und reaktive Fähigkeiten gefragt.

„Die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre haben deutlich gemacht, wie wichtig robuste Lieferketten und eine funktionierende Logistik sind. Wir glauben, dass Inspiration und Innovation, ein offener Austausch und eine intensive Zusammenarbeit für den Erfolg in der Zukunft unabdingbar sind."

Katja Busch DHL

Katja Busch Chief Commercial Officer DHL und Head of DHL Customer Solutions and Innovation

Kapazitäten intelligent nutzen in einer digitalen Supply Chain

Der Fachkräftemangel in der Transportbranche wird sich auch 2023 weiter fortsetzen. Das erschwert es zunehmend, die Kundennachfrage ausreichend zu bedienen. Für Dienstleister im Logistikbereich sind eine vorausschauende Planung der Transporte, die optimale Ausnutzung der verfügbaren Frachtkapazitäten und die Eliminierung von Ineffizienzen jetzt besonders wichtig. Das lässt sich nicht ohne umfassende Digitalisierung umsetzen. Und so kommt es 2023 darauf an, den Weg in die Digitalisierung zu beginnen oder konsequent weiterzuverfolgen.

Eine konsequent digitale Lieferkette beruht auf drei Säulen:

  • Vernetzung der Prozessbeteiligten über Cloud-Anwendungen oder Blockchain-Technologie
  • Vernetzung der Fahrzeuge, Lieferungen und Lagerhäuser mittels Sensorik und Internet-der-Dinge-Lösungen
  • Künstliche Intelligenz (KI), um Fehler zu verstehen und zu lernen, wie sie in Zukunft vermieden werden können

Datenaustausch und -auswertung in Echtzeit schaffen Transparenz über die Lieferkette und ermöglichen eine Steuerung und Kontrolle der einzelnen Glieder. Kapazitäten werden besser genutzt und der zukünftige Bedarf wird zielgerichtet geplant. Denn wenn Logistikunternehmen Lieferdetails in Echtzeit erfahren, können sie Nachfrage und Arbeitskraftressourcen oder verfügbaren Frachtraum besser in Einklang bringen. Die gesamte Lieferkette wird effizienter und resilienter.

Die Bedeutung von Transparenz erkennen

Den schon verfügbaren technischen Möglichkeiten zur Transparentmachung der Lieferkette aus dem Bereich Cloud, Blockchain oder KI steht noch eine gewisse Zurückhaltung bei deren tatsächlicher Nutzung gegenüber. Die Einführung technischer Innovationen zur vollständigen Transparenz der Lieferkette ist keineswegs der Standard.

Das könnte sich 2023 ändern nach den Vorkommnissen des Jahres 2022. Die nächsten Risiken stehen schon vor der Tür: eine mögliche weltweite Rezession, neue Lockdowns und Konflikte oder spürbare Klimaauswirkungen. Um Risiken in der Lieferkette zu managen, ist Transparenz jetzt besonders wichtig. Denn bei einer Gefährdung der Lieferkette kommt es auf die rechtzeitige Entscheidung für eine sinnvolle Alternative an, die im Idealfall (Stichwort: Multichannel) auch verfügbar ist. Die besten Alternativen können über die umfangreiche Auswertung der Daten aus einer transparenten Lieferkette aufgezeigt werden.

Gesetzesnovelle in Deutschland: Das neue Lieferkettengesetz

Zumindest Teilnehmer am deutschen Markt haben einen weiteren Grund für mehr Transparenz: In Deutschland tritt am 1. Januar 2023 das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten in Kraft. Das Gesetz regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und ökologischen Standards in der gesamten Lieferkette. Betroffen sind Unternehmen mit deutschen Haupt-, Neben-, Verwaltungs- oder satzungsmäßigen Sitzen (zunächst mit mindestens 3.000, ab 2024 mit mindestens 1.000 Angestellten im Inland). Diese müssen ein Risikomanagement mit regelmäßiger Berichterstattung implementieren, um Menschenrechtsverletzungen oder Umweltgefährdungen zu verhindern.

In Frankreich wurde schon 2017 der vergleichbare „Loi sur le devoir de vigilance“ beschlossen. Entscheidend und herausfordernd ist bei beiden Gesetzesvorgaben, dass sie die Sorgfaltspflicht nicht auf die eigene Geschäftstätigkeit beschränken, sondern auch auf Vertragspartner und Zulieferer. Das Gesetz schließt nicht nur – woran man zunächst denken mag – etwaige Produktionsstätten in Südostasien und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen mit ein, sondern auch logistische Dienstleistungen.

Transparenz entlang der gesamten Lieferkette ist gefordert. Weil andernorts weniger strenge Vorgaben herrschen, befürchten manche Experten Nachteile für deutsche Teilnehmer am Weltmarkt – ob diese tatsächlich eintreten werden, dürfte schon die nahe Zukunft zeigen.

Automatisierung bleibt ein Trend

Neben der zunehmenden Bedeutung von Big Data, Vernetzung und Transparenz wird sich auch die Automatisierung von logistischen Arbeitsschritten weiter durchsetzen. „Kollege Roboter“ ist als autonom mobiler Roboter, Regal-Roboter oder autonome Drohne zur Inventur längst im Alltag der Umschlagplätze und Logistikzentren angekommen und hilft im Lager kräftig mit. Was den Einsatz von autonom mobilen Lieferfahrzeugen auf der Straße betrifft, bleibt das zunächst noch Zukunftsmusik und kein kurzfristig erreichbares Ziel.

Einen Trend, der schon für 2023 relevant ist, stellt hingegen der Einsatz von Robotik in der Lagerverwaltung oder der Kundenbetreuung dar. Software-Bots können zum Beispiel Kundenanfragen zum Lieferstatus beantworten oder Retouren managen.

Die Logistik war und ist das Rückgrat der lokalen und globalen Wirtschaft – und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Sie zählt allerdings auch zu den weltweit größten Emittenten von Treibhausgasen und ist derzeit für gut 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Green Logistics bleibt daher der logistische Megatrend. Abgesehen von der ökologischen Notwendigkeit, diesen Wert zu reduzieren, wird Nachhaltigkeit in der Logistik zunehmend zum wirtschaftlichen Erfolgsfaktor: Viele Kunden und Geschäftspartner machen mittlerweile geschäftliche Entscheidungen vom nachhaltigen Wirtschaften anderer abhängig.

DHL Freight bietet im Rahmen seiner Selbstverpflichtung, bis 2050 alle logistikbezogenen Emissionen auf netto null zu reduzieren, den GoGreen Plus Service an. Gemäß dem Prinzip des Carbon Insetting investiert DHL Freight in grüne Technologien und Kraftstoffe und vermeidet Emissionen direkt im eigenen Netzwerk.

Mit Insetting statt Offsetting – mit dem andernorts in emissionsausgleichende Projekte investiert wird –, ist ein Nachhaltigkeitstrend schon benannt. Ansonsten gilt, dass weniger mehr ist: weniger Energieverbrauch und weniger Verpackung. Auch verbesserte Antriebstechnologien, energieeffiziente Heizanlagen und Beleuchtungssysteme, Sonnenkollektoren auf Lagerhausdächern oder Verpackungen aus recycelten Materialien oder nachwachsenden Rohstoffen machen die Logistik grüner – und nicht zuletzt: ein optimiertes Prozessmanagement.

Die gute Nachricht hierzu ist: Die bereits geschilderten Innovationen im technischen Bereich – Vernetzung, Automatisierung usw. – zahlen direkt in die Ökobilanz ein, weil alle zur Prozessoptimierung beitragen. Optimierte Prozesse sind energieeffiziente Prozesse. Das bedeutet ideal ausgelastete Lieferfahrzeuge, Leerfahrtenreduktion und bedarfsgerechte Lagerkapazitäten. Je geringer der Ressourcenverbrauch, desto besser die Ökobilanz.

Was kommt nach KI oder Big-Data-Analysis? Technische Anwendungen werden kontinuierlich verbessert: bessere Computer, bessere Sicherheitstechnik, bessere Koordination. Der technische Fortschritt liefert immer wieder Überraschungen.

Trotz aller Unwägbarkeiten wagen wir drei Prognosen:

  • Die Vernetzung könnte konsequent fortgeschrieben werden zu einem Supergrid, das global möglichst viele Supply-Chain-Netzwerke integriert und die Transparenz weiter erhöht.
  • 3D-Druck-Technologie empfinden viele jetzt noch als Spielerei. Vielleicht ist sie aber die Produktionsmethode der Zukunft. Mit der Weiterentwicklung der Technologie hat sich ihre Akzeptanz und Reife in der Automobil-, Medizin- und Luft- und Raumfahrtindustrie auf größere Losgrößen sowie eine größere Vielfalt von Objekten und Materialien ausgeweitet.
  • Und irgendwann werden sie bestimmt zur Realität, vielleicht schon im nächsten Jahrzehnt: autonom fahrende Lieferfahrzeuge – nicht mehr nur im Logistikzentrum, sondern auch auf der Straße.
Logistics Trend Radar 6.0

Weitere kurz-, mittel- und langfristige Trends finden Sie in unserem Logistics Trend Radar 6.0.

Fazit zum Ausblick auf 2023 und der weiteren Zukunft der Logistik

Resilienz ist neben den „Dauerbrennern“ Digitalisierung und Nachhaltigkeit das logistische Schlüsselwort für 2023. Aus nachvollziehbaren Gründen: Nach den Belastungen durch die Coronapandemie im Zeitraum 2020/21 wurden die Lieferketten 2022 erneut starken Belastungsproben ausgesetzt – nicht alle hielten stand. Was man zunächst als ein pandemiebedingtes, vorübergehende Phänomen ansehen konnte, hat sich als leider dauerhaft herausgestellt: gefährdete Lieferketten. Ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, ist die Herausforderung des nächsten Jahres.

Das Positive dabei: Maßnahmen der Digitalität, Nachhaltigkeit und Resilienz wirken zusammen und verstärken sich gegenseitig. Wer neue Technologien einführt, wirkt auch an der nach wie vor großen Aufgabe mit, Logistik und Natur zu versöhnen, ohne die Wirtschaftlichkeit der Logistikunternehmen zu gefährden. Der Umbruch der Wirtschaft geht weiter – entscheidend ist, ihn positiv mitzugestalten.

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