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ChatGPT & Co: Künstliche Intelligenz in der Logistik

ChatGPT DHL Freight

Mit der Präsentation des Chatbots ChatGPT durch Open AI hat die künstliche Intelligenz einen Quantensprung gemacht – zumindest was die Zahl der Nutzer aus nicht-technischen Berufen und die allgemeine Aufmerksamkeit für das Thema betrifft. Dass Künstliche Intelligenz Potenziale für Logistik bietet, wissen Insider natürlich schon sehr viel länger und setzen sie dementsprechend ein. Hier präsentieren wir aktuelle und zukünftige Einsatzfelder.

Was sagt ChatGPT selbst zu seiner Rolle in der Logistik?

Bevor es darum gehen soll, in welchen Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) in der Logistik jetzt schon eine Rolle spielt, soll zunächst ChatGPT selbst zu Wort kommen. Wie schätzt der überaus prominente Bot „persönlich“ seinen eigenen Wert für die Logistik ein? Wir haben ihm folgende Frage gestellt: „Wie kann ChatGPT Unternehmen in der Logistik unterstützen?“

Die Antwort fällt zwar nicht unbedingt bescheiden aus, aber auch nicht so visionär, wie man es vielleicht erwartet hätte. ChatGPT äußert die höchst sachliche Ansicht, „Unternehmen in der Logistik auf vielfältige Weise unterstützen“ zu können, und zwar, indem er die Effizienz steigere, Prozesse automatisiere und wertvolle Einblicke in die Datenanalyse liefere. Das hätte ein Consultant für Digitalisierungsfragen wohl kaum anders ausgedrückt.

Zu den konkreten Einsatzgebieten und möglichen Optionen zur Geschäftsoptimierung gibt ChatGPT an, dass er als Chatbot in der Lage sei

  1. manuelle und zeitaufwändige Prozesse zu automatisieren
  2. mithilfe von Datenanalyse und maschinellem Lernen die Lieferzeiten von Waren vorherzusagen
  3. Kundenanfragen und -beschwerden automatisch zu bearbeiten
  4. große Datenmengen zu analysieren, um bessere Entscheidungen zu treffen, und
  5. Mitarbeiter zu schulen und zu unterstützen.

Damit werden in der Tat relevante Bedürfnisse der Logistik benannt, ohne allerdings mit den Angaben allzu spezifisch zu werden – ein paar Bemerkungen zu Fragen des Lieferkettenmonitorings oder der Flottensteuerung hätten es schon noch sein können – aber ChatGPT ist ja noch jung und lernfähig und vielleicht kommen diese Aspekte schon mit der Antwort auf die nächste Anfrage.

Anwendungsfall Logistik: KI, Daten und Prognosen

Aber egal, ob es nun um ChatGPT oder ein anderes selbstlernendes Kommunikationssystem geht: KI ist schon lange auf dem Weg, sich vom nerdigen Informatiker-Thema über publikumsträchtigen Hype hin zum industriellen Standard zu entwickeln. KI versetzt Computer in die Lage, Probleme zu analysieren, Prognosen zu entwerfen, Empfehlungen zur Problemlösung abzugeben oder sogar selbstständig Entscheidungen zu treffen.

Für die Logistikbranche liegen hier immense Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Durch die Bereitstellung umgehender präziser Informationen, die Verschlankung der Kommunikation, die Automatisierung von Routineaufgaben und umfassende Einblicke in die Logistikabläufe können Logistikunternehmen ihre Effizienz verbessern, die Kundenzufriedenheit steigern und Kosten senken. Einiges im Bereich KI ist noch Zukunftsmusik, aber vieles zählt längst schon zum Alltag in der Logistik.

KI in der Logistik: Beispiele

Begriffe wie Datenanalytik, Künstliche Intelligenz, Supply Chain Management und logistische Prozessoptimierung sind aktuell in aller Munde. Allerdings klafft zwischen dem Ist-Zustand bei der Anwendung in einzelnen Unternehmen und dem Potenzial noch eine große Lücke. Viele, wenn nicht gar alle Player im Logistikmarkt erkennen die Möglichkeiten, die meisten hinken aber in der Umsetzung noch hinterher, weil ihnen Know-how oder zeitliche Ressourcen fehlen. Andere schrecken vor den Investitionskosten zurück oder werden durch eine unzureichende IT-Infrastruktur ausgebremst.

Was schon praktiziert wird und was nicht, variiert deshalb stark von Unternehmen zu Unternehmen. Schon jetzt genutzte und/oder lohnende Einsatzfelder sind:

  • Fehleranalyse und Anomalie-Früherkennung: Fehler in Stammdaten oder Anomalien in Prozessen können zu Ausfällen oder Verzögerungen führen. Durch KI werden Fehler schnell ermittelt und korrigiert, bevor sie Schaden anrichten.
  • Bestandsprüfung und Nachschubplanung: Ein zu geringer Warenbestand kann zu Lieferengpässen führen, ein Zuviel an Waren erhöht die Lagerkosten. KI prognostiziert auf Basis eingehender Bestellungen, welche Warenmengen wann und wo verfügbar sein sollten.
  • Lagermanagement: Optimierte Artikelplatzierung im Lagerhaus, Bewegungsanalysen der Mitarbeiter und Lagerroboter, digitale Lagepläne und Laufwegoptimierung: KI beschleunigt Prozesse im Lagerhaus. Eine Vernetzung mit Lieferfahrzeugen und die Erstellung von Ankunftsprognosen tragen zur weiteren Optimierung des selbstlernenden Lagerhauses bei.
  • Ladungsbildung, Behältermanagement und Transportmittelwahl: Die Kombination unterschiedlicher Waren zu einer gemeinsamen Sendung und die Wahl der idealen Ladungsträger oder Verpackungen erhöhen den Füllgrad der LKW und die Ladungssicherheit. KI-Systeme wissen frühzeitig, welches Fahrzeug womit und wie zu beladen ist, um höchste Effizienz beim Transport zu erreichen.
  • Termin- und Tourenplanung mit KI-basiertem Forecasting: Die Planung der Route ist bei kombinierten Sendungen von der Zusammenstellung der Ladung nicht zu trennen. Die Ladung gibt vor, welche Ziele in welcher Reihenfolge anzusteuern sind? Erfahrene Mitarbeiter planen Routen zwar sehr gut, aber ein vernetztes KI-System verfügt über alle relevanten Informationen zur Transportwegelage in Echtzeit und reagiert mit gezielten Routenänderungen rechtzeitig auf Probleme.
  • Kapazitäts- und Personalbedarfsplanung: Die Logistik hat Nachfragepeaks. Manche sind schwerer zu prognostizieren als etwa der Anstieg der Transportnachfrage vor Weihnachten. Um die Nachfrage immer bedienen zu können, bedarf es hinreichender Kapazitäts- und Personalplanung. Aufgrund von Absatzerfahrungen und Absatzprognosen berechnet die KI den Kapazitäts- und Personalbedarf.
  • Arbeitssicherheit: Personalspezifische Anwendungen von KI sind nicht auf die Bedarfsplanung beschränkt. Auch im Bereich der Stress- und Ermüdungserkennung beispielsweise bei LKW-Fahrern kann KI zum Einsatz kommen. Denkbar ist, über personalisierte Pausenempfehlungen zur Arbeitssicherheit beizutragen und so auch Ausfällen durch Unfälle vorzubeugen.
  • Selbstlernende Supply Chain: Alle zuvor genannten Punkte zahlen in die selbstlernende und sich selbst optimierende Lieferkette ein. KI ersetzt dabei Telefonate, Mails und Kurzmitteilungen. Nicht nur der Kommunikationsaufwand wird verschlankt, sondern auch der Planungsaufwand: Die möglichen Kombinationen von Transportgütern, Transportmitteln, Kapazitäten und möglichen Routen sind sehr komplex. Komplexität bedeutet einen Aufwand an zeitlichen und personellen Ressourcen – deshalb liegt der Mehrwert von KI für die Logistik vor allem in der selbstlernenden Supply Chain, bei der KI ressourcenschonend die ideale Lösung aufzeigt. Wenn sich die Supply Chain kontinuierlich selbst optimiert, kommt kein Produkt aus der Produktion ohne, dass die notwendigen Transport- oder Zwischenlagerkapazitäten bereitstehen.
  • Kundenkommunikation: Mit diesem Punkt schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei einer Chat-Software wie ChatGTP angelangt. Wobei Chatbots nicht nur die Kundenkommunikation verbessern können, sondern auch die Mensch-Maschine-Kommunikation im Lager oder Fahrerhaus. Menschliche Mitarbeiter haben es zunehmend mit intelligenten Systemen als „Kollegen“ zu tun. Je schneller diese Systeme dank KI die human-technische Kooperation verbessern, desto reibungsloser die Zusammenarbeit.

Logistik ist ein perfektes Anwendungsfeld für KI, weil wir es mit sehr unterschiedlichen Gütern und Abläufen zu tun haben.

Dr. Klaus Dohrmann, Vice President Innovation Europe & Trend Research DHL im Interview mit Welt

KI bei DHL und DHL Freight

In vielen der oben genannten Bereiche kommt KI bei DHL schon jetzt zum Einsatz, in weiteren laufen Testphasen oder bestehen Planungen. Einige Beispiele:

Routenoptimierung

Im Transportmanagement fallen Unmengen von Daten an. Dank ausgeprägter Datenanalysefähigkeit überwachen KI-Systeme bei DHL Sendungsbewegungen und erkennen Probleme in Echtzeit. Standorte von Sendungen, die ins Stocken geraten sind, werden schnell identifiziert und optionale Routen kartiert. Auf Grundlage dieser Datenanalyse können schnell Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Sendungen pünktlich an ihrem Bestimmungsort ankommen.

Ladungsoptimierung

Die KI-Lösung OptiCarton trägt zum DHL-Ziel bei, Umverpackungen aus Karton um bis zu 50 Prozent zu reduzieren und darüber die CO₂-Emissionen pro Sendung deutlich zu verringern. OptiCarton hilft, das Füllvolumen vorkonfigurierter Kartons optimal auszunutzen. Auf Grundlage der Produktbeschaffenheit, des Volumens und der Dimensionen der Sendung ermittelt die KI-Software die ideale Umverpackung. Über eine visuelle Darstellung, die an das Computerspiel Tetris erinnert, hilft OptiCarton den Mitarbeitern, den vorhandenen Raum bestmöglich auszunutzen. Das verbessert nicht nur die Emissionsbilanz der Sendung, sondern senkt auch die Versandkosten.

Container-Ladungsbildung

KI erkennt unterschiedliche Behälter- und Paketformate und ordnet sie für den Transport maximal platzsparend im Container an. Das verbessert dessen Auslastung und verringert den CO2-Abdruck der einzelnen Sendungen.

Lagerroboter

In einigen DHL-Paketzentren nehmen Roboter Pakete vom Laufband und ordnen sie in bestimmte Fächer für die jeweiligen Zustellrouten ein. Diese DHLBots sind dank KI mehr als bloße industrielle Greifroboter, sie sind lernfähig und flexibel. Mit ihrer 3-D-Kamera erfassen sie die Form der Sendungen, scannen deren Barcodes und räumen sie sicher ein. Rund 1.000 Sendungen pro Stunde können DHLBots mit einer Genauigkeit von 99 Prozent verarbeiten. Die menschlichen Kollegen gewinnen dadurch Zeit für kreative Aufgaben.

Lagermanagement

In DHL-Logistikzentren, in denen Pakete für Onlineshops zusammengestellt werden, setzen wir ein selbstlernendes Programm ein, das zu jeder Bestellung in Sekundenbruchteilen die kürzeste Route im Lager anzeigt. Außerdem berücksichtigt der Algorithmus Folgebestellungen und kann Bestellungen priorisieren. Wegen seiner smarten Routenplanung sparen sich Lagermitarbeiter bis zur Hälfte der sonst nötigen Wegstrecke.

Lieferkettenüberwachung

Außerdem überwacht DHL alle seine Lieferketten mit KI. Die Positionen einzelner Sendungen sind ständig transparent und wenn eine Abweichung eintritt oder Störungen absehbar sind, schlägt der Algorithmus sofort eine Lösung oder alternative Route vor. So können trotz Störungen Sendungen pünktlich ans Ziel gelangen.

Kundenservice

Kunden können an dieser Überwachung teilhaben und über den Status ihrer Sendung immer im Bild bleiben. Was heute noch meist über Webseiten läuft, kann bald von Dialogrobotern übernommen werden, woran DHL bereits arbeitet. Chatbots entlasten menschliche Ressourcen bei der Bearbeitung von Anfragen zur Sendungsverfolgung oder anderen begrenzt komplexen Themenfeldern. Zudem liefern Chatbots Analysedaten zu Kundenbedürfnissen und tragen damit zu einer Verbesserung der Kundenzufriedenheit bei.

Fazit

KI in der Logistik ist kein Selbstzweck. Bei DHL Freight setzen wir auf KI, um noch besser zu werden. Aber KI sorgt nicht nur dafür, dass Sendungen sicher und pünktlich beim Empfänger ankommen. Die höhere Effizienz macht unsere Arbeit nachhaltiger und verbessert den Arbeitsschutz für unsere Mitarbeiter. So profitieren alle: unsere Kunden, unsere Mitarbeiter und die Umwelt. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, stehen wir Ihnen nach wie vor sehr gerne persönlich zur Verfügung. Bei aller Innovation vergessen wir bei DHL Freight nie, worum sich auch in der Logistik alles dreht: um den Menschen.

Häufige Fragen

  • Wofür lässt sich künstliche Intelligenz in der Logistik einsetzen?
    Die Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der Logistik sind vielfältig. Sie reichen von der Fehleranalyse und Früherkennung von Anomalien über eine intelligente Routenplanung und Stresserkennung beim Fahrer bis hin zur Planung von Kapazitäten und Personalbedarf. Auch die Kundenkommunikation kann durch die KI vereinfacht werden.
  • Wie kann ChatGPT Unternehmen in der Logistik unterstützen?
    ChatGPT ist langfristig in der Lage, manuelle und zeitaufwändige Prozesse zu automatisieren, mithilfe von Datenanalyse und maschinellem Lernen die Lieferzeiten von Waren vorherzusagen, Kundenanfragen und -beschwerden automatisch zu bearbeiten, große Datenmengen zu analysieren, um bessere Entscheidungen zu treffen und Mitarbeiter zu schulen und zu unterstützen.

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