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Konjunktur für Langfinger

Der Schaden von Ladungsdiebstählen übersteigt den eigentlichen Warenwert oft bei Weitem – denn es drohen Verzögerungen in den Lieferketten.

Im Detail unterscheiden sich zwar die Vorgehensweisen von Land zu Land und Kontinent zu Kontinent, aber das Prinzip bleibt gleich: Verbrecher, die hinter wertvoller Lkw-Ladung her sind, kundschaften geeignete Lkw auf Autobahnparkplätzen oder Autohöfen aus. In der Nacht schlagen sie dann zu, entweder heimlich und leise oder mit Gewalt. In Deutschland zum Beispiel sind vielfach Planenschlitzer unterwegs: Sie fahren mit einem Kleinlaster mit geöffneter seitlicher Schiebetüre an die abgestellten Trucks heran, schneiden einen kleinen Schlitz in die Plane und begutachten – oftmals mithilfe elektronischer Endoskope – die Fracht. Winkt lohnende Beute, wird der Schlitz erweitert, das Diebesgut blitzschnell umgeladen und abtransportiert. Die schlafenden Trucker kriegen vom Raub ihrer Ladung in der Regel nichts mit – der Lärmpegel auf den Autobahnraststätten ist dafür einfach zu hoch.

Ob so oder anders begangen, Ladungsdiebstähle wachsen sich für Spediteure, aber auch für Versender und Empfänger der Waren seit Jahren zu einem zunehmenden Problem aus. Die Vereinigung für internationale Transportsicherheit (Tapa) dokumentiert für 2016 allein in der Region Europa, Afrika und Mittlerer Osten 2.611 Diebstähle von transportierten Gütern. Das ist ein Zuwachs von mehr als 70 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015. Und diese Zahl gibt nur die der Tapa gemeldeten Fälle wieder – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Zumal die Statistiken auch viele Fehlerquellen aufweisen – in einigen EU-Ländern wird der Diebstahl von Lkw-Ladung beispielsweise nicht als eigene Kategorie erfasst.

Knapp 70.000 Euro Warenwert

Von daher sind die von der Tapa registrierten Daten mit einer gewissen Vorsicht zu sehen. Aber trotzdem ist die Tatsache alarmierend, dass sich 90 Prozent der Fälle auf sechs statistisch sorgfältig vorgehende Länder verteilen: das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Deutschland, Schweden, Russland und Italien. Soweit überhaupt erfasst, lässt sich auch der Wert der gestohlenen Waren beziffern: Dieser liegt pro Diebstahl durchschnittlich bei knapp 70.000 Euro. Zu Gewalt oder Androhung von Gewalt kam es im vergangenen Jahr 87 Mal, das sind 3,4 Prozent aller Fälle. Allerdings ist dieses Vorgehen deutlich ausgeprägter in Staaten wie Mexiko oder den USA.

Besonders gefährdet sind geparkte Lkw. In 40,7 Prozent der Fälle stahlen die Täter die Ware aus Lkw auf unbewachten Parkplätzen. Die Diebe bevorzugten 2016 vor allem Nahrungsmittel und Getränke als Beute. Mit 10,6 Prozent der Fälle macht diese Warengruppe den größten Anteil an allen Diebstählen aus.

Störung der Lieferkette

„Deutschland und Großbritannien sind in Europa die führenden Nationen im Transportdiebstahl“, sagt Tapa-Europachef Thorsten Neumann. Allerdings gilt es, wie gesagt, zu beachten, dass die Daten aus vielen Ländern gar nicht erhoben werden können. Aber der Schaden ist bei allen Ungenauigkeiten hoch: Auf 1,2 Milliarden Euro beziffert Neumann den Wert der Waren, die jedes Jahr in Deutschland erbeutet werden. „Der wirkliche volkswirtschaftliche Schaden liegt fünf- bis achtmal so hoch.“ Damit meint er indirekte Effekte wie beispielsweise, dass der Ladungsdiebstahl die Lieferketten stört und in Zeiten der „Just in time“-Strategien Produktionsausfälle verursachen kann.

Inwieweit die statistischen Probleme in Zukunft durch eine verbesserte Datenlage zu beheben sind, mag dahingestellt bleiben. Fest steht: Jeder Ladungsdiebstahl ist einer zu viel. Eine präventive Maßnahme dagegen ist zum Beispiel die Lieferketten-Managementplattform Resilience360 von DHL, die auch externen Kunden zu Verfügung steht. „In unserem Lagezentrum werden aktuelle Meldungen auswertet und Tendenzen im Bereich Ladungsdiebstahl im Bezug auf die geografische Lage und besonders betroffene Industriezweige analysiert. Ein solches Frühwarnsystem kann dabei helfen, Transportrouten besser zu bewerten und Risiken wie Warenverluste oder Image-Schäden zu minimieren, sagt Mirko Woitzik, Risikoanalyst bei Resilience 360 der DHL.

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