Der Transportsektor ist nach wie vor von fossilen Brennstoffen abhängig und trägt mit über 15 Prozent zu den weltweiten Kohlendioxidemissionen bei. Langfristig könnten mit grünem Wasserstoff betriebene Brennstoffzellenfahrzeuge eine nachhaltige Lösung für den Fernverkehr sein, denn als Nebenprodukte entstehen bei Wasserstofffahrzeugen keine Abgase, sondern nur Wärme und Wasser. Wie realistisch ist eine breite Markteinführung von Wasserstoff-Lkw?
Wasserstoff-Lkw – nachhaltige Zukunft auf der Langstrecke?
Wasserstoff ist auf der Erde praktisch unbegrenzt verfügbar. Gleichzeitig sind seine Einsatzmöglichkeiten als Energieträger oder Energiespeicher vielfältig, sei es in der industriellen Produktion oder in Kraftwerken. Kein Wunder also, dass Wasserstofftechnologie als eine umweltfreundliche Schlüsseltechnologie der Zukunft hoch im Kurs steht. In der Antriebstechnik kann Wasserstoff fossile Kraftstoffe ersetzen und damit eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs spielen.
Wasserstoff-Brennstoffzellen sind neben batterieelektrischen Fahrzeugen eine wesentliche Technologiealternative für die heute noch überwiegend dieselbetriebene Straßenfracht. Während sich für Warenlieferungen mit kleineren Lkw und einem begrenzten Lieferradius batterieelektrische Antriebe mehr und mehr anbieten, verhält es sich bei schweren Lkw, die täglich mehrere hundert Kilometer zurücklegen, anders. Hier stößt die Batterietechnik hinsichtlich Speicherkapazität, dem Gewicht der Batterien und der Ladegeschwindigkeit noch an ihre Grenzen. Die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle bietet im Fernverkehr signifikante Vorteile.
Reichweite und Verbrauch von Wasserstoff-Lkw
Denn Wasserstoff hat eine relativ hohe Energiedichte, wodurch Wasserstoff-Lkw große Reichweiten erzielen: 800 bis 1000 Kilometer ohne Tankstopp sind möglich, tatsächliche Verbräuche hängen aber natürlich vom Motor und dem jeweiligen Lkw-Modell ab. Für große Distanzen beim Transport könnten Wasserstoff-Lkw daher eine hervorragende Alternative zum Diesel werden – zumal Brennstoffzellen-Lkw fast genauso schnell betankt werden können wie Diesel-Lkw. Je nach Modell ist die Betankung teils in zehn bis 15 Minuten möglich.
Praktischer Nachteil von Wasserstoff-Lkw im laufenden Betrieb
Wasserstoff muss komprimiert oder verflüssigt und dann in geeigneten Wasserstofftanks im Fahrzeug gespeichert werden. Diese Tanks befinden sich in der Regel hinter dem Fahrerhaus, wodurch der vordere Teil des Lkw länger wird. In manchen Ländern bestehen gesetzliche Bestimmungen zur Gesamtlänge von Lkw. Ist dies der Fall, muss der Längenzuwachs gegebenenfalls durch eine Verkürzung der Ladefläche kompensiert werden. Dadurch verringert sich das Ladevolumen der wasserstoffbetriebenen Lkw.
Nachhaltigkeit von Wasserstoff: Auf die Erzeugung kommt es an
Schon heute erzeugt und verbraucht die Industrie Wasserstoff in großem Stil, allerdings vornehmlich auf Basis fossiler Ressourcen. Nachhaltig erzeugter grüner Wasserstoff ist derzeit noch ein rares Gut.
Das Verfahren für die Produktion von grünem Wasserstoff ist die Wasserspaltung oder Wasserelektrolyse auf Basis von erneuerbarem Strom. Bei der Elektrolyse wird Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) gespalten. Der durch die Elektrolyse gewonnene Wasserstoff kann gespeichert und für die Verwendung in der Industrie oder im Verkehr weiterverteilt werden.
Weitere „Wasserstofffarben“ sind:
- Grauer Wasserstoff wird meist aus fossilem Erdgas durch Dampfreformierung erzeugt. Pro Tonne Wasserstoff werden etwa 10 Tonnen CO2 freigesetzt.
- Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, bei dessen Herstellung das CO2 teilweise abgetrennt und unterirdisch gespeichert wird.
- Oranger Wasserstoff wird aus Abfall- und Reststoffen gewonnen und gilt als emissionsneutral.
- Türkiser Wasserstoff ist das Produkt einer Spaltung von Methan. Statt CO2 entsteht fester Kohlenstoff, der nicht in die Atmosphäre entweicht. Das Verfahren ist noch in der Entwicklung.
Technik von Wasserstoff-Lkw: Funktionsweise des Brennstoffzellenmotors
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge kann man sich als Elektromobile vorstellen, die ihren eigenen Strom erzeugen. Das Herzstück eines Wasserstoffantriebs ist die Brennstoffzelle.
Ein Wasserstofffahrzeug tankt komprimierten Wasserstoff. Vom Hochdrucktank wird Wasserstoff in die Brennstoffzelle gepumpt. Diese besteht aus zwei Elektroden (einer negativ geladenen Anode und einer positiv geladenen Kathode), einem Katalysator und einer Membran. An der Anode werden Wasserstoffmoleküle in Wasserstoffionen (Protonen) und Elektronen gespalten.
Die elektrische Energie der Elektronen treibt den Motor des Fahrzeugs an. An der Kathode der Brennstoffzelle fusionieren Protonen und Elektronen wieder und werden in Verbindung mit Sauerstoff zu Wasser: Außer Wärme ist Wasser das einzige Nebenprodukt bei dieser Form der Energieerzeugung, weshalb Wasserstoff-Lkw keinerlei direkte Abgasemissionen erzeugen.
Gesamtenergiebilanz
Brennstoffzellen sind weniger energieeffizient als Batterieantriebe. Bei der strombasierten Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse und der anschließenden Umwandlung von Wasserstoff in Strom in der Brennstoffzelle geht viel Energie verloren. Insgesamt wird mehr Energie benötigt, um einen wasserstoffbetriebenen Lkw zu betreiben als einen batteriebetriebenen.
Energie aus Wasserstoff: keine Idee des 20. oder 21. Jahrhunderts
Einfach genial oder genial einfach? – Das Grundprinzip der Brennstoffzellentechnologie wurde jedenfalls schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erforscht und im 20. Jahrhundert weiterentwickelt. Seit den 1990er Jahren sind Busse mit Brennstoffzellen in einigen Innenstädten unterwegs. In der Gegenwart wird die Technologie unter realen Bedingungen bereits im Straßengüterverkehr umfassend getestet – auch von DHL Freight.
Wasserstofftechnologie bei DHL Freight
DHL Freight will mit der Umstellung auf Wasserstoff-Antriebe spätestens ab 2030 beginnen. Bis dahin arbeiten wir gemeinsam mit Partnern daran, Industriestandards für den Einsatz von Wasserstoff-Lösungen zu entwickeln, und wir beteiligen uns an Pilotprojekten.
Zu den Wasserstoffprojekten von DHL Freight gehören:
- Paul Hydrogen Power-Truck (PH2P® Truck): Am Standort Köln ist für DHL Freight im Rahmen eines einjährigen Pilotprojekts seit Februar 2024 ein Wasserstoff-Lkw im Verteiler- und Linienverkehr unterwegs. Der 15,6 Tonnen schwere PH2P® Truck ist der erste serienreife mittelschwere Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern.
- HyCET (Hydrogen Combustion Engine Trucks): Am Projekt sind außer DHL Freight auch Fahrzeug- und Motorproduzenten sowie Energieunternehmen beteiligt. Jeweils zwei 18-Tonnen- und zwei 40-Tonnen-Lkw werden gemeinsam entwickelt und getestet. Außerdem geht es bei HyCET um die adäquate Infrastruktur.
Wasserstoff im Straßentransport – der Status quo
Viele Expertinnen und Experten sehen in Wasserstoff den Energieträger der Zukunft. Allerdings sind viele Fragen rund um Wasserstoff noch nicht abschließend geklärt – von der klimaneutralen Herstellung im großen Umfang über die großmaßstäbliche Speicherung bis hin zur Transport- und Betankungsinfrastruktur. Deshalb kann Wasserstoff derzeit nur in langfristigen Konzepten eine tragende Rolle spielen.
Die Forschung muss weiter an der Verbesserung der Wirkungsgrade und der Effizienz von Brennstoffzellen arbeiten. Um dann möglichst leistungsfähige Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieben zu entwickeln, kooperieren für Wasserstoff-Lkw die meisten Hersteller mit Spezialisten der Wasserstofftechnik.
Die Aufgabe der Politik ist es, den Ausbau der Infrastruktur und Vertriebsnetze für Wasserstoff zu fördern.
Wasserstoff-Lkw in Deutschland
Ob in Deutschland, auf EU-Ebene oder global: Zwei Grundprobleme gibt es überall: Die Gesamtbetriebskosten von Wasserstoff-Lkw sind noch zu hoch, um mit herkömmlichen Fahrzeugen ökonomisch konkurrieren zu können und die nötige Tankinfrastruktur fehlt. In Deutschland gibt es zwar rund 100 Wasserstofftankstellen – allerdings sind die meisten nur für Pkw ausgelegt. Eine Lkw-Tankinfrastruktur muss noch weiter aufgebaut werden. Und ohne gezielte politische Förderung von Wasserstoff-Lkw wird deren Markteinführung weder hier noch andernorts gelingen.
Was der Wasserstoff-Technologie zum Durchbruch verhelfen kann
Zusammengefasst sind es drei Säulen, die für einen nachhaltigen Erfolg von wasserstoffbetriebenen Lkw in Deutschland und international die Voraussetzung sind:
- Marktreife und Wirtschaftlichkeit einer breiten Palette an Fahrzeugen
- Kaufanreize für und Kaufbereitschaft bei Unternehmen
- adäquate Wasserstoffvertriebs- und Tankinfrastruktur
Zu diesem Ergebnis kommt zum Beispiel auch eine Wasserstoff-Lkw-Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Kooperation mit Ludwig-Bölkow-Systemtechnik. Entscheidend sei zudem, dass die Entwicklung von Fahrzeugtechnik und Infrastruktur koordiniert und unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Anforderungen vorangetrieben werde.
Nische oder Massenmarkt? Die nächsten Jahre sind entscheidend
Wir als DHL Freight betrachten die Wasserstofftechnologie als Chance, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die gesamte DHL Group will bis 2030 den CO2-Fußabdruck um 30 Prozent im Vergleich zu 2019 verringern und bis 2050 alle logistikbezogenen Emissionen auf Netto-Null senken. Für den Fernverkehr mit schweren Lkw bietet die Wasserstoff-Brennstoffzelle gegenüber batterieelektrischen Antrieben erhebliche Vorteile bei der Reichweite und Betankungsgeschwindigkeit.
Der Erfolg der Wasserstoffantriebe erfordert allerdings einen gemeinsamen Kraftakt der Unternehmen, welche die Technik und die Fahrzeuge entwickeln, und derjenigen, die sie anwenden – wie DHL Freight. Auch die Politik ist gefordert, die für die Rahmenbedingungen und die notwendige Infrastruktur Sorge trägt.
Last but not least: Es muss genügend grüner Wasserstoff verfügbar sein. Wenn die Emissionen zwar nicht mehr bei der Fahrt, aber dafür bei der Wasserstoffproduktion anfallen, ist nichts gewonnen. Nur emissionsfrei erzeugter Wasserstoff resultiert in emissionsfreien Fahrzeugen. Das erfordert eine Stärkung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und den Aufbau von vielen Elektrolyseuren.
Wir von DHL Freight treiben mit unserem Engagement in Wasserstoffprojekte die Entwicklung mit voran – für eine nachhaltige Logistik der Zukunft.