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DHL Road Freight Market News – September 2022

DHL Freight News September 2022

In dieser Monatsausgabe wird neben dem europäischen Wirtschaftsgeschehen und dem Straßengütertransport ein genauerer Blick auf die politische Ebene geworfen und basierend darauf eine Einschätzung zu den Auswirkungen auf die Logistik und Wirtschaft gegeben. Weitere Informationen zu den Entwicklungen im vergangenen Monat finden Sie in unserer letzten Ausgabe.

Die Wirtschaft in Europa leidet weiter unter den Folgen des Ukraine-Kriegs – Unternehmen und Konsumenten sind weiterhin verunsichert

Die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb Europas war zuletzt durch eine straffere Geldpolitik, eine anhaltend hohe Inflation sowie die mögliche Gefahr einer Rezession gekennzeichnet, was zu einer deutlichen Abkühlung der Wachstumsaussichten für 2022 führte: Die wirtschaftlichen Kennzahlen im August zeigen, dass die Europäische Wirtschaft weiter unter den Folgen des Ukraine-Kriegs und den anhaltenden Schockwellen leidet. Wie bereits seit Juni befürchtet, wirkt sich der Konflikt nun direkt auf die russischen Gaslieferungen aus und bedroht somit die europäische Energieversorgung. Diese Entwicklungen materialisieren sich weiterhin in einem Rekordanstieg der Energiepreise, welche wiederum die Inflation zunehmend in die Höhe treiben.

Makroökonomische Schlüsselindikatoren in der EU

So berichtet Eurostat, das statistische Bundesamt der Europäischen Union, für August 2022 einen erneuten historischen Höchststand der jährlichen Inflationsrate im Euroraum von 9,1%. Damit liegt die Inflationsrate im August 2022 6,1 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert und knapp 0,2 Prozentpunkte über den Erwartungen im Juli von 8,9%. Ein zeitnaher Rückgang der Inflationsrate ist aktuellen Prognosen nach jedoch nicht in Sicht, wie am Beispiel Deutschlands deutlich wird: die Bundesbank geht aktuell von einer Inflationsrate im Herbst um die 10% aus und hat ihre Schätzungen im August zur weiteren Entwicklung der Verbraucherpreise somit erneut nach oben korrigiert. Als maßgeblicher Treiber für den zunehmenden Kostendruck wird, neben den auslaufenden Entlastungspaketen (z.B. das 9-Euro-Ticket) oder dem ansteigenden Mindestlohn (12 Euro), auch die kommende Gasumlage genannt.

Die Gefahr einer nicht abgesicherten Energieversorgung, der sich Europa gegenübersieht, bringt, neben einschneidenden Konsequenzen für die Bevölkerung, ebenfalls signifikante Auswirkungen für die europäische Industrie mit sich. Es wird ersichtlich, dass die Abhängigkeit vieler europäischer Staaten von russischem Gas oder anderen (energetischen) Rohstoffen die Wirtschaftskraft weiterhin belastet. S&P Global (ehemals IHS Markit) prognostiziert für Europa im August für das Jahr 2022 ein Wirtschaftswachstum von ca. 2,8%. Vor knapp einem halben Jahr lag die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr noch bei etwa 4%.

Leichte saisonale Entspannung im Markt wird durch Aussicht auf drohende kapazitative Engpässe getrübt

Im August ist im europäischen Straßenverkehr eine leichte Entspannung wahrzunehmen. Wie sich im Juli bereits angedeutet hatte, wirken typische saisonale Effekte während der Sommermonate auf das Kapazitätsangebot im Markt. So berichtet TIMOCOM für August von einem Verhältnis von Frachten zu angebotenem Laderaum in Europa von durchschnittlich 73:27, was im Vergleich zu den Monaten zuvor eine relativ deutliche Entspannung widerspiegelt (82:18 im Juli und 85:15 im Juni 2022). Und auch der Dieselpreis ist im Vergleich zum Beginn des Krieges gesunken: Eurostat berichtet für den August einen gewichteten durchschnittlichen Dieselpreis von 1,82 Euro pro Liter für die 27 europäischen Mitgliedsstaaten.

Im Juli lag der durchschnittlich gewichtete Preis noch bei 1,95 Euro pro Liter Diesel, dies entspricht einem leichten Rückgang von ca. 7%. Vor rund einem Jahr lag der Preis allerdings noch bei 1,37 Euro pro Liter (August 2021) und zeigt somit einen Anstieg von 33% gegenüber dem Vorjahr auf. Trotz dieser Entwicklung ist jedoch kaum von einer deutlichen Erholung zu sprechen, denn sowohl Kapazitäten als auch der Dieselpreis befinden sich weiterhin auf einem „Allzeithoch-Plateau“, mit anhaltendem kapazitativen Ungleichgewicht im Markt.

Europäische Road Freight Market Kennzahlen: Januar 2021 bis August 2022

Das Ungleichgewicht wird u.a. durch politische Beschlüsse weiter befeuert. Am Beispiel Deutschlands wird ersichtlich, welche signifikanten Auswirkungen der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Bedrohung der Energieversorgung auf die Logistik und speziell den Straßengütertransport haben: Angesichts der grundlegenden Veränderungen im deutschen Energiesystem wird eine abweichende logistische Planung temporär als unabdingbar bewertet, um eine unmittelbare Gefährdung oder Störung der Energieversorgung in Deutschland vorzubeugen. So hat die  Bundesregierung in einer Rechtsverordnung (25.08.2022) festgelegt, dass Energietransporte vorübergehend Vorrang auf der Schiene haben werden, um den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen zu gewährleisten und somit die Energieversorgung sicherzustellen.

Als Konsequenz werden im bereits stark ausgelasteten Schienennetz zu der bestehenden Menge an Gütern (u.a. auch bevorzugter Transportweg für ukrainische Weizentransporte) weitere Energietransporte hinzukommen, die voraussichtlich über den kapazitativen Grenzen des Netzes liegen werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine Verlagerung der überschüssigen, nicht-priorisierten Güter von der Schiene in das ebenfalls stark ausgelastete Straßennetz unvermeidbar sein wird. Diese Verlagerung kann ebenfalls nicht von der Binnenschifffahrt abgeschwächt werden, welche, z.B. bedingt durch die extreme Niedrigwassersituation, so stark in ihren Transportkapazitäten beschränkt ist, dass sie grundsätzlich nicht für zusätzliche Energietransporte und somit als Alternative zur Schiene in Frage kommt.

Logistik wird im 2. Halbjahr weiter vor große kapazitative Herausforderungen gestellt

Valide Aussagen zur zukünftigen Entwicklung innerhalb des Straßentransportmarktes lassen sich weiterhin nur schwer treffen. Wie beschrieben, gilt es als absehbar, dass Ersatz- bzw. Ausweichverkehre über den ohnehin stark belasteten Verkehrsträger Straße abgewickelt werden müssen. Auf stark frequentierten Straßenkorridoren besteht angesichts einer potenziellen Verlagerung von der Schiene auf die Straße die Gefahr eines Dominoeffekts, da der dort verfügbare Laderaum bereits heute knapp und umkämpft ist.

Der Beschluss zur Priorisierung von Energietransporten auf der Schiene stellt somit auch für die Wirtschaft, besonders für das produzierende Gewerbe, ein Risiko dar. Durch die drohende Überlastung der Transportkapazitäten im Straßennetz durch die Ersatz- bzw. Ausweichverkehre, wird vermutlich kaum gewährleistet sein können, dass alle zur Produktion benötigten Güter in vorgegebener Lieferzeit ankommen – es drohen Produktionsausfälle. Mit Blick auf die kommenden, regulär sendungsstarken Herbst- und Wintermonate wird erwartet, dass sich die kapazitative Engpasslage im Markt erneut zuspitzen könnte. In welchem Umfang dies geschehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht gänzlich absehbar.

Für Prognosen zur wirtschaftlichen Aktivität und zur Inflation ist davon auszugehen, dass diese weiterhin stark von der Entwicklung des Kriegs in der Ukraine und insbesondere seinen Folgen auf die Gasversorgung Europas abhängen werden. Grundsätzlich ist jedoch von keiner zeitnahen wirtschaftlichen Erholung in Q3 auszugehen.

DHL Freight wird die Marktgeschehnisse und deren Auswirkungen auf das Straßennetz weiterhin intensiv beobachten und bewerten, um eine adäquate Qualität zu gewährleisten. Die anhaltende Volatilität im Markt, macht eine offene und transparente Kommunikation für DHL Freight zur obersten Priorität. Das nächste Update mit Details zur Entwicklung im Straßentransportmarkt im September wird wieder zum Beginn des kommenden Monats erscheinen.

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