Illegale Kabotage hat sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Gefragt sind staatliches Handeln und Überwachung.
Wer mit offenen Augen über die europäischen Fernverkehrsstraßen fährt, wird unweigerlich viele Lkw mit ost- und südosteuropäischen Kennzeichen entdecken. Das ist ein Zeichen, dass Europa zusammenwächst. Wer genauer hinsieht, entdeckt allerdings auch eine Fehlentwicklung des Straßengüterverkehrs. Diese ist in Deutschland ebenso zu beobachten wie etwa in Belgien, Frankreich, Italien oder Österreich. So sind viele Fahrer von Lkw, die in Ost- und Südosteuropa zugelassen sind, oft mehrere Wochen in westeuropäischen EU-Staaten unterwegs, wobei eine Tour der nächsten direkt folgt. Vielfach sind die Lkw noch nicht einmal bei der ersten Überquerung der Grenze mit Fracht für einen Empfänger beladen. So werden die Kabotage-Regelungen der EU (siehe Kasten) bewusst umgangen. Diese Handlungsweise ist kein Einzelfall, sondern hat Methode. So hat das deutsche Bundesamt für Güterverkehr allein 2015 mehr als 540 Bußgeldbescheide erlassen und Bußgelder in der Höhe von über 650.000 Euro verhängt. Zudem sitzen die Auftraggeber für die illegalen Kabotage-Fahrten häufig genau in den westlichen EU-Ländern, in denen diese Touren stattfinden. Mehr noch, viele der Lkw gehören ausländischen Tochterunternehmen von Speditionen, die in eben diesen Ländern sitzen.
Auftraggeber haftet mit
Neben dem wirtschaftlichen Schaden durch Wettbewerbsverzerrungen – die Kostenschlüssel der ost- und südosteuropäischen Firmen sind niedrig – sind die illegalen Transporte rechtlich kein Kavaliersdelikt: Verbotene Kabotage-Fahrten stellen unerlaubten Güterkraftverkehr dar. Das hat Auswirkung auf die Verkehrshaftungsversicherung, denn Versicherer decken grundsätzlich nur Schäden aus erlaubtem Güterkraftverkehr. Die Konsequenz: Es gibt ein hohes Risiko, dass der ausländische Kabotage-Unternehmer für größere Schäden nicht aufkommen kann. Auch dem Auftraggeber droht Ärger mit der Versicherung – etwa wenn er erkennen kann, ob der nächste Transport illegal ist. Lässt er ihn trotzdem zu, steht der bedingte Vorsatz im Raum und damit der Verlust der Versicherungsdeckung.
Schließlich hat illegale Kabotage eine starke soziale Komponente. Die illegalen Fahrten unterlaufen die etablierten Lohn- und Sozialstandards der westeuropäischen Länder. Viele Lkw-Fahrer werden zu Nomaden auf den Autobahnen. Sie sind Leidtragende in einem rechtswidrigen Preiskampf, die in ihren Lkws schlafen und für die die Ruhe- und Lenkzeiten nur Regeln auf dem Papier sind.
Lösung via IT
Daher treten nun staatliche Kontrolleure europaweit vermehrt auf den Plan – mit durchmischten Ergebnissen: „Kabotage-Verfehlungen zu beweisen, stellt sich in der Kontrollpraxis als äußerst schwierig dar“, so Wilfried Lehner, Leiter der österreichischen Finanzpolizei. Ein Weg zur Lösung bietet eventuell die IT. So überlegt der Bundesverband Güterkraftverkehr und Entsorgung (BGL) beispielsweise ein Internetportal für Ausländer, die in Deutschland Transportleistungen erbringen. Wenn die Fahrten dort angemeldet werden müssen, macht dies die Anwesenheitszeiten der Fahrer im Land transparent. Dumping-Praktiken kämen schneller ans Licht. Eine Ahndung würde einfacher, illegale Kabotage unattraktiver.
Illegale Kabotage
Kabotage ist das Recht eines Unternehmens, eine Logistikdienstleistung in einem EU-Land durchzuführen, in dem es nicht seinen Sitz hat. Dafür gibt es feste Regeln. So darf das Unternehmen gemäß Verordnung (EG) 1072/2009 im direkten Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung innerhalb von sieben Tagen bis zu drei Kabotage-Beförderungen durchführen. Werden diese Regeln überschritten, spricht man von illegaler Kabotage.