
Im Straßengüterfernverkehr sind alternative Antriebe noch eine Seltenheit, über 95 Prozent der europäischen Lkw-Neuzulassungen fahren nach wie vor mit Diesel. Gleichzeitig macht die Elektrotechnologie im Lkw-Bereich Fortschritte. Voraussetzung für einen flächendeckenden Durchbruch ist jedoch ein bedarfsgerechtes europäisches Schnellladenetz. Das ist noch Zukunftsmusik, aber welche Lademöglichkeiten es heute schon gibt und mit welchen Ladezeiten zu rechnen ist, erfahren Sie hier.
E-Mobilität im Straßengüterverkehr: Status quo und Perspektiven
Für Menschen, die in der Stadt leben, ist es ein vertrauter Anblick: batterieelektrische Zustellfahrzeuge. Im urbanen Raum gehören Transporter mit Elektroantrieb zum alltäglichen Straßenbild. Da verwundert es fast, dass der EU-weite Marktanteil von Elektroantrieben bei Transportern bis 3,5 Tonnen laut einer Mitteilung des europäischen Automobilherstellerverbands Acea vom Oktober 2024 bei den Neuzulassungen nur 5,7 Prozent beträgt.
Bei den Lkw sind es sogar nur 2 Prozent. Hemmnisse für die E-Mobilität im Straßengüterverkehr sind neben den höheren Anschaffungskosten nach wie vor die (begrenzte) Reichweite, die (fehlende) Ladeinfrastruktur und die (zu langen) Ladezeiten. Diese drei Aspekte sind für die letzte Meile oder den Verteilerverkehr weniger relevant als für den Fernverkehr. Für die kurzen Strecken reicht eine Batterieladung völlig aus und die Fahrzeuge können problemlos über Nacht auf dem Betriebsgelände aufgeladen werden. Die Ladezeit spielt kaum eine Rolle und eine öffentliche Ladeinfrastruktur ist meistens auch nicht erforderlich.
Darüber hinaus ist das zusätzliche Gewicht der Batterien ein limitierender Faktor im Lkw-Fernverkehr. Da sich dadurch das Fahrzeuggewicht erhöht, sinkt die Nutzlast – denn auch bei E-Lkw sind die zulässigen Gesamtlasten zu beachten. Die durch das Batteriegewicht eingeschränkte Nutzlast kann teilweise durch eine gesetzliche Heraufsetzung des zulässigen Gesamtgewichts kompensiert werden Bereits heute dürfen E-Lkw in vielen Ländern mit einem höheren zulässigen Gesamtgewicht fahren als Lkw mit Verbrennungsmotor – und zudem wird die maximale Nutzlast auch bei voller Ausnutzung des Ladevolumens oft nicht erreicht, so dass E-Lkw im Schwerlastverkehr schon heute eine Option sind.
Hersteller versprechen größere Reichweiten
Beim Straßengütertransport über längere Distanzen mit größeren Fahrzeugen sieht es anders aus. Derzeit liegen die markttypischen Reichweiten bei 300 bis 500 Kilometern. Doch die Hersteller holen auf und versprechen größere Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern. Nicht zuletzt zwingen die verschärften europäischen Klimaziele die Hersteller zu Neuentwicklungen im Elektrosegment: Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten haben sich Anfang 2024 auf Abgasvorschriften für Nutzfahrzeuge über 7,5 Tonnen geeinigt, die ab 2030 ausgeliefert werden. Deren CO₂-Ausstoß soll zwischen 2030 und 2034 im Vergleich zu 2019 um 45 Prozent sinken. In den Jahren 2035 (65 Prozent) und 2040 (90 Prozent) werden die Anforderungen weiter verschärft.

Möglichkeiten der E-Lkw-Aufladung
Auch wenn viele E-Lkw theoretisch dieselben öffentlichen Ladestationen wie Pkw nutzen könnten, ist dies in der Praxis aufgrund der größeren Fahrzeugabmessungen oft nicht möglich. Weitere Hemmschuhe sind Sicherheitsaspekte rund um den Ladevorgang oder die Gewährleistung einer Lademöglichkeit über ein Reservierungssystem. Daher sind heute weniger die öffentlich zugänglichen Lade-Hubs die typischen Ladepunkte für E-Lkw, sondern:
- eigenes Betriebsgelände
- fremdes Betriebsgelände (zum Beispiel Be- und Entladestellen beim Versender/Empfänger oder Verteilzentren); manchmal ermöglichen Unternehmenskooperationen die Nutzung fremder Ladestationen.
Das Laden über Nacht ist nach wie vor die am weitesten verbreitete Ladevariante. Über Nacht kann auch mit geringen Leistungen von 50-100 kW Gleichstrom (DC) oder mit Wechselstrom (AC) bei unter 45 kW, geladen werden, da mehrere Stunden zur Verfügung stehen, um die Fahrzeuge vollständig aufzuladen. Vor allem bei Batteriekapazitäten bis 250 kWh sind AC-Systeme für die Ladung über Nacht meist völlig ausreichend.
Das Laden am Zielort ist zwingend erforderlich, wenn die Reichweite des Lkw für die Hin- und Rückfahrt nicht ausreicht. Ladestationen auf Betriebsgeländen oder in Distributionszentren verfügen häufig über eine DC-Leistung von 150 bis 400 kW, so dass E-Lkw theoretisch direkt während des Be- und Entladens in bis zu 2 Stunden aufgeladen werden können. Dies ist aus operativen oder arbeitsschutztechnischen Gründen nicht immer möglich, jedoch stellt das Aufladen in speziellen Ladebereichen mit beispielsweise 400 kW keine außergewöhnliche zeitliche Belastung im betrieblichen Ablauf dar.
Für das Laden unterwegs im Lkw-Fernverkehr muss es schneller gehen. In der EU sind regelmäßige Lenkpausen vorgeschrieben (45 Minuten Pause nach 4,5 Stunden Lenkzeit). Um Lkw mit ihren großen Batterien in dieser Zeit unterwegs an öffentlichen Ladepunkten und Autobahnraststätten aufladen zu können, sind höhere Leistungen erforderlich – und ein anderes Ladesystem als bei Pkw.
Preise für das Laden
Der konkrete Preis variiert natürlich je nach Anbieter. Generell gilt: Das langsame AC-Laden ist günstiger als das schnellere Laden mit DC. Markttypische Preise an öffentlichen Ladestationen liegen im Herbst 2024 bei 0,50-0,60 € pro Kilowattstunde (AC) bzw. 0,60-0,75 € (DC). Beim Laden auf dem Firmengelände hängt der Preis naturgemäß vom Stromtarif ab, zu dem das jeweilige Unternehmen seinen Strom bezieht, ferner auch von den Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur sowie den laufenden Kosten für Backend-Betrieb und Wartung. Mögliche öffentliche Fördermittel sind ein potenzieller finanzieller Reduktionsfaktor.
CCS und MCS
Bei der Ladung von E-Pkw ist der europäische Standard das Combined Charging System (CCS). Das funktioniert auch bei leichten und mittelschweren Lkw. Geladen wird dann wie bei Pkws mit einem Typ-2- oder CCS-Stecker. Das dauert allerdings relativ lang. Ein effizienterer Standard mit höherer Ladeleistung als CCS ist daher Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz von E-Mobilität im Straßengüterverkehr.
Dieser Ladestandard ist das Megawatt Charging System (MCS), das als zukünftige Norm für das Laden von schweren Nutzfahrzeugen gilt. Daher sind die meisten neuen E-Lkw MCS-kompatibel und werden in der Regel mit zwei Steckersystemen (MCS- und CCS-Stecker) ausgeliefert. MCS ermöglicht deutlich höhere Ladeleistungen und macht damit schwere Nutzfahrzeuge langstreckentauglich. Für das öffentliche Laden unterwegs, während der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten, ist MCS derzeit die praxistauglichste Lösung. Auch auf Betriebsgeländen gibt es Anwendungsfälle, allerdings kann hier der erforderliche Mittelspannungsanschluss den Einsatz an manchen Standorten einschränken.

Ohne Schnellladeinfrastruktur lässt sich E-Mobilität im Fernverkehr nicht realisieren
In Europa ist die öffentliche Ladeinfrastruktur für Lkw in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich am besten ausgebaut. Aber: Auch in Deutschland gibt es nur gut 70 öffentliche Schnellladestationen. Die Nationale Koordinierungsstelle Ladeinfrastruktur verfolgt die Strategie, an den Raststätten der Bundesautobahnen rund 350 Standorte mit Schnelllademöglichkeiten für Lkw zu schaffen. Eine entsprechende EU-Vorgabe sieht vor, dass die Abstände zwischen den Ladestationen im Fernstraßennetz maximal 60 Kilometer betragen dürfen.
Der Trend für eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur dürfte in Europa dahin gehen, nicht flächendeckend Ladestationen zu realisieren, sondern an strategisch günstigen Standorten leistungsstarke Ladestationen mit Kapazitäten von mehreren Megawatt zu errichten, um pro Station zahlreiche Schnellladeanschlüsse anbieten zu können.
Ladezeiten von E-Lkw mit den unterschiedlichen Systemen
Zunächst ist für das Laden von E-Lkw zu beachten, dass die benötigte Batteriekapazität deutlich größer ist als bei Pkw. Für Pkw sind Kapazitäten zwischen 60 und 100 kWh typisch, für Lkw Werte um 250 kWh für kleinere Fahrzeuge im Verteilerverkehr bis über 600 kWh für den Schwer- und Fernverkehr. Entsprechend länger ist die Ladezeit.
Mit einem AC-Ladegerät (< 45 kW) lassen sich Nahverkehrsfahrzeuge mit Batterien bis 250 kWh in 8 bis 10 Stunden aufladen. Ab einer Ladeleistung von 150 kW (DC) können aber auch 400 bis 500 kWh-Batterien relativ schnell über einen CCS-Stecker geladen werden.
MCS ermöglicht Ladeleistungen von mehr als einem Megawatt. In der Branche werden aber auch hohe Ladeleistungen unter 1 MW als MCS-Laden bezeichnet. Aber nur bei einer Ladeleistung von über einem Megawatt sind Ladezeiten von unter 30 Minuten möglich. Aufgrund der Investitionen in die Infrastruktur und der erforderlichen Mittelspannungsanschlüsse werden solche MCS-Systeme voraussichtlich nur an den großen europäischen Autobahnen zu finden sein – und dort sind Schnellladesysteme ja auch am sinnvollsten.
Bei den in der Tabelle angegebenen Ladezeiten handelts es sich um grobe Schätzwerte für die Aufladung der Batterie von 10 auf 80 Prozent. Die konkreten Ladezeiten hängen von der jeweils verbauten Batterie respektive den Batterien ab; dies im Hinblick auf:
- Batteriekapazität
- C-Rate der Batterie, das ist das Maß für die Lade- oder Entladerate im Verhältnis zur Batteriekapazität. Je höher die C-Rate, desto kürzer die Ladezeit, aber auch der Verschleiß der Batterie.
Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Ladezeit sehr stark vom jeweiligen E-Lkw-Modell abhängt. Für Fahrzeuge mit sehr hoher Nutzlast und entsprechend hoher Motorleistung und Batteriekapazität ist das Ladeziel von unter 30 Minuten eine ambitionierte Herausforderung.
Beispielhafte E-Lkw-Ladezeiten im tabellarischen Überblick
Ladeleistung | Ladedauer | Ladesystem | Fahrzeugapplikation |
---|---|---|---|
< 45 kW | 10 h (Kleine Lkw mit einer Batteriekapazität bis 250 kWh lassen sich in 10 h vollständig laden.) | CCS (AC) | Nahverkehr |
50 bis 100 kW | 6 bis 10 h (Große Akkus [600 kWh] benötigen eine Ladezeit von bis zu 12 h.) | CCS (DC) | Linienverkehr |
150 kW | 2 bis 4 h | CCS (DC) | Nah- / Linienverkehr |
250 bis 400 kW | 40 min bis ca. 2,5 h (Beispiel: Bei einer 600 kWh Batterie ergibt sich eine Ladezeit von ca. 1,5 h [400 kW Ladeleistung] bis ca. 2,5 h [250 kW]). | CCS (DC) | Linienverkehr |
500 bis 750 kW | ca. 50 bis ca. 110 min (Beispiel: Bei einer 600 kWh Batterie ergibt sich eine Ladezeit von ca. 50 min [750 kW Ladeleistung] bis ca. 110 min [500 kW]). | MCS (DC) | Linien- / Fernverkehr |
≥ 1 MW | < 30 min (Rechnerisch ergibt sich bei einem 600 kW Akku und 1 MW Ladeleistung eine durchschnittliche Ladezeit von 36 min.) | MCS (DC, noch nicht verfügbar) | Linienverkehr/Fernverkehr |
eTruckathon
Wie weit die Technik für E-Lkw fortgeschritten ist, zeigte sich im September 2024 beim eTruckathon von E.ON Drive. Vorreiter aus der Automobil- und Logistikbranche absolvierten gemeinsam eine nachhaltige Demonstrationsfahrt von Essen zur IAA Transportation in Hannover. DHL Freight als Pionier der nachhaltigen Logistik war mit einem eigenen E-Lkw am Start, als zwölf Fahrzeuge aus zwölf Teams auf rund 300 Kilometern emissionsfreier Fahrt bewiesen, dass nachhaltige Logistik keine Vision mehr ist.
Fazit: Ausbau der Infrastruktur und technische Weiterentwicklung verkürzen Ladezeiten von E-Lkw
Anschaffungspreis, Reichweite, Schnellladenetz: Wenn diese Stellschrauben in die richtige Richtung gedreht werden, kann der Markteintritt der E-Mobilität im europäischen Straßengüterverkehr flächendeckend gelingen. Für die Transportlogistik insgesamt wäre das ein großer ökologischer Gewinn.
DHL Freight ist Teil dieser nachhaltigen Bewegung. E-Mobilität ist ein wichtiger Baustein der Nachhaltigkeitsstrategie von DHL Freight und DHL Group, die darauf abzielt, alle logistikbezogenen Emissionen bis 2050 auf netto null zu bringen. Was im Bereich E-Lkw schon heute funktioniert, zeigen unsere Kooperationen im Bereich elektrischer Road Freight mit Parker Hannifin, der vollelektrische Schwerlastverkehr an den Standorten Hagen und Koblenz oder der Einsatz von E-Lkw in den Niederlanden. Besonders fortgeschritten ist der Einsatz von E-Lkw bei DHL Freight in Schweden, wo viele Strecken bereits vollelektrisch betrieben werden. In Schweden hat DHL Freight schon 2021 einen Piloten mit Volvo im Langstrecken-Schwertransport durchgeführt.
DHL Freight ist jedoch grundsätzlich technologieoffen. Wir möchten den Wandel zur umweltschonenden Logistik von morgen mit einem Mix aus verschiedenen alternativen Antriebstechnologien so schnell wie möglich vollziehen.