
Im Zuge der zunehmenden Vernetzung der globalisierten Wirtschaft überqueren mit den Warenströmen immer umfangreichere Datenströme die Landes- und Zollgrenzen. Mit diesen Datenmengen steigt ebenso der Digitalisierungsgrad im Zollbereich. Die Digitalisierung der Zollabfertigung birgt für die an der Ein- und Ausfuhr von Waren beteiligten Unternehmen ein großes Potenzial zur Beschleunigung der Zollprozesse. Auf der anderen Seite stehen die Marktteilnehmer vor der Herausforderung, sich an die neue digitale Zollwelt anzupassen.
Digitalisierung im Zoll: Automatisierung, KI und Blockchain
Bereits jetzt ist ein Trend im Zoll weg von national-regionalen Systemen und hin zu einem einheitlichen System mit verbessertem Datenaustausch erkennbar. Das langfristige Ziel ist die vollständige Digitalisierung aller Prozesse bei der Zollabfertigung.
Und wie so oft, wenn es um die Digitalisierung ökonomischer Prozesse geht, stehen drei Aspekte im Fokus des Interesses: Automatisierung, künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain-Technologie.
Automatisierung erfordert Schnittstellen
Die Automatisierung von Zollanmeldungen stellt einen Kernaspekt bei der Digitalisierung des Zolls dar. Die automatisierte Abfertigung und Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs funktionieren nur auf der Basis umfassender digitaler Daten. Auf Behördenseite ermöglichen IT-Verfahren wie das deutsche ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem) diese Aufgabe zwar schon jetzt automatisch, aber nur weil die Daten vorher von anderen eingegeben worden sind. Für die Behörden sind dann gewissermaßen auf Knopfdruck Konsistenzprüfungen der Stamm- und Transaktionsdaten möglich und die am Zollverfahren beteiligten Systeme generieren die Zolltarifierung oder Meldungen über Verstöße.
Aber auch wenn die automatisierten Behördensysteme Prozesse beschleunigen und vereinfachen: Für die Versender ist es nach wie vor mit erheblichem Aufwand verbunden, die einzelnen Informationen in die Systeme einzugeben, um eine elektronische Zollanmeldung auszufüllen. Digitale Zollassistenten und automatisierte Schnittstellen sind die Voraussetzung für eine effiziente Automatisierung auch auf Unternehmensseite. Sie helfen bei der Übertragung der relevanten Daten aus der IT-Infrastruktur der Unternehmen in das amtliche Zollsystem. Das sorgt nicht nur für eine schnelle, sondern auch für eine fehlerfreie Übertragung der Datensätze für die Zollanmeldung.
KI für Geschwindigkeit und Fehlerfreiheit
Der digitale Assistent leitet zum nächsten Stichwort über. Ohne KI sind ein digitaler Assistent und die Automatisierung im Zollwesen generell nicht vorstellbar. KI-Technologien können dazu beitragen, den Arbeits- und Zeitaufwand bei der Zollanmeldung deutlich zu reduzieren. Maschinelles Lernen ermöglicht es Systemen, Datenmuster zu erkennen und die benötigten Dokumente und Informationen zu antizipieren. Das verkürzt nicht nur die Bearbeitungszeit, sondern erhöht auch die Datenqualität.
Ein konkretes Beispiel für KI in der Zollabwicklung ist die automatisierte Auswertung von Handelsdokumenten. KI-gestützte Systeme filtern die relevanten Informationen heraus und übertragen sie in die entsprechenden Felder der Zollanmeldung. Falsche oder unvollständige Angaben durch menschliche Fehler werden so reduziert und mögliche Verzögerungen und Mehrkosten vermieden. Mit KI-gestützten internen Prüfprozessen kommen Unternehmen dem Zoll zuvor. Fehler oder Abweichungen werden bereits vor der Zollprüfung behoben und es kommt gar nicht erst zu Problemen.
Blockchain-Lösungen im Zoll
Dem Wesen der Blockchain-Idee entsprechend geht es bei der Blockchain im Zoll vor allem um Sicherheit und Transparenz für alle Prozessbeteiligten. Denn genau das ist der Kern der Blockchain-Idee: dezentrale, gleichberechtigte und manipulationssichere Netzwerk-Datenbanken. Im Gegensatz zur KI ist die Blockchain-Technologie im Zoll nur bedingt ein Teil der Gegenwart.
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, digitale Prozesse und Dokumente für alle Beteiligten sicher zu archivieren und kontinuierlich in Echtzeit mit dem physischen Warenfluss abzugleichen. So lassen sich alle Informationen für Warenversender, Warenempfänger, Logistikdienstleister, Frachtführer, Zollagenturen und Zollbehörden jederzeit nachvollziehen.
Blockchain Europe, ein Projekt zum Aufbau eines europäischen Blockchain-Instituts unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, hat im Dezember 2022 das Blockchain-Softwaresystem BORDER (Blockchain-basierte Organisation relevanter Daten im Extrahandel mit Rechtssicherheit), eine digitale Lösung für die Zollabwicklung im Außenhandel, als Open Source online gestellt. Für BORDER erstellt der Zoll ein digitales Ausfuhrbegleitdokument und überträgt es in die Software, die das Dokument mittels Blockchain-Technologie allen beteiligten Partnern entlang der Lieferkette zur Verfügung stellt.
Selten zuvor war das Thema Digitalisierung so präsent im Zollbereich.
Thomas Weins, VP Customs & CEO Gerlach Germany
Warum sich Unternehmen auf den digitalen Zoll einstellen müssen
Unternehmen in der EU stehen Änderungen im Außenhandel bevor. Die meisten Anpassungen des EU-Zollrechts stehen im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Der Zoll soll zeitgemäßer, vor allem sollen die Kontrollen digitaler werden, um dem wachsenden internationalen Handelsvolumen gerecht zu werden. Die EU-Zollreform dient vor allem der Harmonisierung und Vereinfachung der Zollverfahren in den Mitgliedstaaten.

Die EU-Zollreform und der Central Data Hub
Im Zentrum der EU-Zollreform steht die neue Zolldatenplattform, mit der die zunehmende Menge an Zolldaten effizienter bewältigt werden soll. Dieser Central Data Hub schafft eine verbesserte Datenverfügbarkeit, indem er die zentrale Speicherung von zollrelevanten Informationen und deren Austausch zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht. Eine hohe Datenverfügbarkeit sorgt für eine schnellere und effizientere Bearbeitung von Zollanmeldungen. Darüber hinaus erhöhen die zentrale Validierungsprozesse im Hub die Datenqualität, wodurch die Korrektheit der Anmeldungen erhöht wird.
Ein wichtiger Aspekt der Reform betrifft auch die Trust & Check Trader (T&C Trader). Durch die Einführung des einheitlichen digitalen Zollabfertigungssystems, das eine bessere Rückverfolgbarkeit und Verwaltung der Zolldaten ermöglicht, wird ihre Position im Markt gestärkt. Die vereinfachten Verfahren und der schnellere Zugang zu Zolldienstleistungen kommen den T&C Tradern und allen grenzüberschreitend tätigen Unternehmen zugute.
Schrittweise Einführung der EU-Zolldatenplattform
Die EU-Zolldatenplattform soll nach den aktuellen Planungen ab 2028 für Sendungen aus dem Bereich E-Commerce obligatorisch und ab 2032 fakultativ auch für alle anderen Warenempfänger verfügbar sein. Derzeit ist vorgesehen, bis 2035 zu prüfen, ob die Plattform auf alle Wirtschaftsbeteiligten ausgeweitet werden kann, um sie ab 2038 für alle verpflichtend einzuführen. Die Plattform verspricht den europäischen Zollbehörden einen umfassenden Überblick über Lieferketten und potenzielle Risiken. Das System soll auf KI basieren, um Daten zu analysieren und zu überwachen und Probleme zu erkennen, noch bevor Waren auf dem Weg in die EU sind.
Unternehmen müssen jetzt aktiv werden
Die Digitalisierung in der Zollabwicklung ist auch eine Frage der Erfüllung zahlreicher rechtlicher Anforderungen im Bereich Zoll und Außenwirtschaft. Auch deshalb ist eine frühzeitige Reaktion wichtig. 2028, 2032, 2038: auf der einen Seite genug Vorlauf, auf der anderen Seite aber auch höchste Zeit, sich proaktiv auf die digitale Zukunft des Zolls einzustellen, um den Zug in Richtung Automatisierung nicht zu verpassen. Auf kurze bis mittlere Sicht führt für kein Unternehmen ein Weg an einer größtmöglich automatisierten Systeminfrastruktur für die Digitalisierung der Zollprozesse vorbei. Es empfiehlt sich für alle beteiligten Unternehmen, die entsprechenden Schritte einzuleiten.
Vorteile einer digitalen Zollabwicklung
Gleichzeitig ist die Notwendigkeit der Digitalisierung aber auch als eine Chance zu sehen. Die Digitalisierung im Zollwesen bietet Unternehmen die Möglichkeit, zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen einzusparen.

Planmäßig eingesetzt ermöglicht die Digitalisierung der Zollprozesse:
- Effizienzsteigerung: Digitale Technologien beschleunigen Zollprozesse. Plattformlösungen und digitale Schnittstellen sorgen für eine schnellere Dokumentenbearbeitung und Warenfreigabe und damit für kürzere Durchlaufzeiten.
- Prozessoptimierung: Digitalisierung in Kombination mit KI erlaubt es, Daten nicht nur zu sammeln, sondern auch zu analysieren und Defizite, Risiken oder Chancen zu identifizieren. Dies ermöglicht eine proaktive, datenbasierte Lenkung von Geschäftsprozessen und verbessert die Unternehmensperformance.
- Fehlerminimierung: Die manuelle Dateneingabe und papierlastige Zollabwicklung stellen ein erhebliches Risiko für Fehler bei der Dateneingabe und Dateninkonsistenzen dar. Durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen und automatisierten Prüfverfahren lassen sich Fehler vermeiden und die Datenqualität erhöhen. Auf diese Weise wird einerseits die Compliance sichergestellt, andererseits können die mit Fehlern und Korrekturen einhergehenden Folgekosten reduziert werden.
- Automatische Aktualisierung: Zoll- und Handelsbestimmungen sind volatil und unterscheiden sich stark von Region zu Region. Digitale Lösungen stellen sicher, dass man in Echtzeit über Änderungen der Vorschriften informiert ist und entsprechend reagieren kann. Auch dies gewährleistet die Compliance mit aktuellen Gesetzen und vermeidet Verstöße und Strafzahlungen.
- Transparenz und Sicherheit: Unter der Voraussetzung von effektiver Cybersecurity und Datenschutz erlaubt die Digitalisierung ein sicheres und effizientes Dokumenten- und Datenmanagement. Durch den Einsatz von elektronischen Archivierungssystemen, die auf Cloud Computing und potenziell auf der Blockchain-Technologie basieren, werden Dokumente vor Verlust geschützt und ein ortsunabhängiger Zugriff auf relevante Informationen ermöglicht. Dies erleichtert die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Behörden.
Herausforderungen im B2C-Bereich und Verbraucherschutz – Lösungen durch Digitalisierung
Die Digitalisierung und die EU-Zollreform bringen vor allem Vorteile für Unternehmen, Zolldienstleister und Zollbehörden. Jede Medaille hat zwei Seiten und so gibt es auch Herausforderungen, insbesondere im B2C-Bereich. Denn Online-Plattformen für den grenzüberschreitenden Handel sind mit spezifischen Problemen konfrontiert. Im B2C-Bereich ist vor allem die Unterbewertung von Waren problematisch, bei der der tatsächliche Warenwert bewusst zu niedrig angegeben wird, um Zölle zu umgehen. Darüber hinaus stellt der Import von nicht marktfähigen Waren, die gesundheits- oder sicherheitsgefährdend sein können, ein Risiko dar.
Die bessere Datenverfügbarkeit und -kontrolle durch den Central Data Hub trägt zum Schutz der EU-Verbraucher:innen bei, gerade wenn es um die Einfuhr gefährlicher Waren geht. Darüber hinaus profitieren die EU-Mitgliedstaaten durch die rechtmäßige Entrichtung der Umsatzsteuer. Die Automatisierung und Vereinheitlichung der Zollprozesse steigern daher nicht nur die Effizienz, sondern dienen auch dem Verbraucherschutz und der Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen.
Kompetente Zolldienstleister erleichtern den Start ins digitale Zollzeitalter
Für kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzter personeller IT-Expertise stellt die Digitalisierung eine besondere Herausforderung dar. Nicht nur beim Zoll. Dennoch müssen sie nicht Gefahr laufen, den digitalen Anschluss zu verlieren. Zolldienstleister und IT-Spezialisten entwickeln effiziente Zollmanagementsysteme oder stellen ihren Partnern die eigene Zollplattform zur Verfügung.
Ein Beispiel ist Gerlach, der führende neutrale Zolldienstleister in Europa. Gerlach hat eine innovative digitale Zollplattform eingeführt, zunächst in Deutschland, Polen und den Niederlanden (weitere Länder folgen).
Wenn Waren aus einem EU-Mitgliedstaat oder der Schweiz in ein Drittland exportiert werden, müssen diese bei den zuständigen Zollbehörden angemeldet werden. Die Plattform ermöglicht es den Kund:innen, diese Ausfuhranmeldungen vollständig online zu beantragen und den gesamten Prozess in vielen Ländern vollständig digital abzuwickeln.
Diese Digitalisierung der Zolldokumente beschleunigt nicht nur die Prozesse und senkt die Kosten, sondern erhöht auch die Kontrolle und Transparenz des gesamten Zollprozesses. Gerne erläutern Ihnen die Expert:innen von Gerlach die innovative digitale Zollplattform im Detail.
Benötigen Sie Unterstützung bei Ihren Zollprozessen?
Dann wenden Sie sich gerne an unsere Kollegen von Gerlach Zolldienste. Gerlach ist der führende neutrale Anbieter von Zolldienstleistungen in Europa und bietet das gesamte Spektrum an Zolldienstleistungen.
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Mit der digitalen Zollplattform bieten wir unseren Kunden eine effiziente Lösung zur Vereinfachung der zollrelevanten Prozesse für ihren Arbeitsalltag. Zunächst haben wir das Kundenportal für Ausfuhranmeldungen von Deutschland, Polen und den Niederlanden in Drittländer an den Start gebracht, werden es aber sukzessive auch in anderen EU-Ländern ausrollen.
Thomas Weins, VP Customs & CEO Gerlach Germany
Digitalisierung im Zoll ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit
Die Digitalisierung des Zolls, vor allem der Einsatz von KI und die Einführung der EU-Zolldatenplattform, bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Präzision und Effizienz der Zollverfahren zu verbessern. Der Zoll wird zunehmend digitaler und die Verfügbarkeit und Qualität von Daten ist entscheidend für seine erfolgreiche digitale Zukunft.
Die Digitalisierung stellt im Bereich der Zollabwicklung für Unternehmen eine strategische Weichenstellung dar, die Compliance und Wettbewerbsfähigkeit in einem globalisierten Marktumfeld sichert. Für alle, die bei der Zollabwicklung nicht den Anschluss verlieren und rechtlich auf der sicheren Seite bleiben wollen, ist die Digitalisierung der Zollprozesse spätestens angesichts der europäischen Rahmenentwicklungen ein Thema, mit dem man sich intensiv auseinandersetzen sollte. Wir von DHL Freight und unsere Kolleg:innen von Gerlach unterstützen Sie gerne dabei.