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Frostige Pharma-Fracht

Kühlcontainer von SkyCell bekommen bei DHL Freight im belgischen Mechelen eine Rundumbehandlung: Wartung, Reinigung, Reparatur und eine Abkühlung – all das für den späteren Transport von Medikamenten, selbst bei extremsten Bedingungen.

Es ist ein ganz normaler Wintertag im Februar in Mechelen. Der Himmel ist grau, die Temperaturen liegen ein paar Grad über dem Gefrierpunkt. Im Lagerhaus von DHL Freight ist es trotzdem eisig. Aber daran sind die Kolleginnen und Kollegen längst gewöhnt. Denn hier werden bei minus 20 Grad Container des Schweizer Herstellers SkyCell für pharmazeutische Produkte tiefgekühlt, damit Medikamente den Transport unbeschadet überstehen.

Am Terminal in Mechelen werden die SkyCell-Container für den Transport von Medikamenten umgerüstet und gekühlt. © Cornelis Gollhardt

Um sieben Uhr startet die Schicht – ganz klein sehen die nur sechs DHL-Mitarbeitenden aus in der riesigen Halle, in der sich SkyCell-Container bis unter die Decke stapeln. Jedes einzelne dieser Hightech-Produkte braucht besondere Pflege in Anbetracht des Werts. Umso wichtiger ist eine gute Behandlung. Die Aufgaben dafür werden in Mechelen jeden Morgen neu verteilt: Inspektion, Säuberung, Wartung, Vorbereitung. Durchschnittlich 15 dieser Boxen machen die Kolleg:innen täglich fit für die nächste gekühlte Reise um die Welt.

Mechelen liegt strategisch günstig: zwischen den beiden Großstädten Brüssel mit Flughafen und Antwerpen mit Hafen. Das DHL Freight-Terminal dient auch als normales Cross-Dock (Umschlagplatz), aber der größte Teil des Lagerhauses wird für SkyCell genutzt.

In dem kleinen Büro im Lager weiß Janice Paesmans (links), wann die Lastwagen die Container bringen und wieder abholen. Der Teamleiter Ouail Sellami ist hinten im Bild zu sehen. © Cornelis Gollhardt

Hallo Container!

Janice Paesmans hat den Überblick, wann welcher Container per Lkw in Mechelen ankommt. Dann übernimmt Amadou Hamadou. Er erfasst die eingehenden Container und alle wichtigen Daten mit seinem SkyCell-Handscanner. Die Daten werden sofort ins System namens SkyMind von SkyCell übertragen. Der Kunde behält damit den Überblick über seine Produkte – wo sie sich befinden, wie ihr Zustand ist und wann sie bereit für den nächsten Transport sind.

Amadou Hamadou checkt die Container ein. Im SkyMind-System kann der Kunde jederzeit sehen, wo sich der Container befindet und welcher Arbeitsschritt abgeschlossen ist. © Cornelis Gollhardt
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Es gibt verschiedene Firmen, die temperaturkontrollierte Behältnisse für Pharmaerzeugnisse herstellen. Die bekanntesten sind Envirotainer, CSafe und Dokash. Ihr Nachteil: Sie alle benötigen entweder Trockeneis oder Strom, um die Medikamente zu kühlen – SkyCell nicht. Ihre Container halten eine Temperatur von zwei bis acht Grad Celsius 270 Stunden lang – ganz ohne Hilfsmittel. Und unbegrenzt verlängerbar durch seine Fähigkeit, sich selbst aufzuladen.

Klinisch rein

Einige der X1500-Behälter kommen ziemlich verdreckt in Mechelen an. Ihnen rückt Fouad Sabbahi nun zu Leibe. Durchschnittlich 38 Minuten braucht er, um einen Container zu reinigen. Mit Dampf werden die Aufkleber entfernt, dann geht es an die Außenseiten – ganz klassisch mit Wasser, Seife und Desinfektionsmittel. Anschließend macht sich Sabbahi an das Innenleben. „Wichtig ist, dass der Container am Ende streifenfrei sauber ist“, erklärt er. „Denn in Schlieren, die beim Wischen entstehen, können sich Bakterien oder Dreck sammeln.“

Das organische Reinigungsmittel, das Fouad Sabbahi für die Reinigung der Container verwendet, ist neu und für Mensch und Umwelt gut verträglich. © Cornelis Gollhardt

Das Team ist klein, alle respektieren sich und jeder hilft dem anderen aus. Und das tun sie seit fünf Jahren so erfolgreich, dass SkyCell Ende 2024 den Vertrag mit DHL Freight um drei weitere Jahre verlängert hat. Obwohl diese sogenannten Zusatzservices (Value Added Services) im Freight-Geschäft eher ungewöhnlich daherkommen, loten Freight und SkyCell zurzeit weitere Standorte aus, zum Beispiel in Frankreich. „Das Modell lässt sich sehr gut ausbauen“, sagt Christophe Pintelon, Leiter des Terminals in Mechelen. „Wir sind auch mit anderen Divisionen im Gespräch. Es bietet sich zum Beispiel an, SkyCell-Service-Center an den Standorten von DHL Global Forwarding anzusiedeln, die bereits über ein Kühlhaus verfügen. So könnten wir Synergien schaffen und gemeinsam wachsen.“

Etwas kaputt?

Ouail Sellami befestigt derweil einen der Gummifüße eines Containers neu. Das ist mit dem Akkuschrauber schnell erledigt. Er ist auch in der Lage, die blauen Dichtungen an den Türen der Container zu erneuern oder die komplette Außenwand zu ersetzen. Größere Schäden setzt SkyCell in Frankfurt selbst instand. Dabei geht es vor allem darum, das patentierte Kältesystem zu schützen.

Ouail Sellami bringt einen der Gummifüße des Containers an. Die Kollegen in Mechelen können sogar die Seitenwände austauschen. © Cornelis Gollhardt
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So sind die SkyCell-Container aufgebaut

Die Container bestehen von außen nach innen aus einer austauschbaren dünnen Außenwand, einem Aluminiumgestell, und Plastikwänden mit zwei Innentüren und einer Außentür. Das Wichtigste ist das sogenannte Phasenwechselmaterial (Phase Change Material, kurz PCM), das sich in den Plastikwänden versteckt und mit dem die Temperatur gehalten wird.

Niedrige Temperaturen garantiert

Exakte Temperaturen sind für den Transport von Pharmaprodukten, beispielsweise Impfstoffen, extrem wichtig. Zwei Sensoren – innen und außen – kontrollieren die Temperatur. Sie muss stets zwischen zwei und acht Grad liegen. Zaid Aghallay ist das Bindeglied zwischen dem Kunden und den Kolleg:innen im Lager und erklärt: „Beim Öffnen sollen die Container eine Temperatur von drei Grad Celsius haben. Selbst noch in Australien.“ Bisher habe das immer geklappt, berichtet er.

Damit genau das funktioniert, braucht es das eisige Herz des Lagerhauses und seine etwas weniger frostige Nachbarin. Minus 20 Grad hat der eine Kühlraum, immerhin zwei bis acht Grad plus der andere. Große Tore schützen diese Bereiche.   

Eric Daelemans bringt die Container in das Herz des Lagers. Die Kisten werden 24 Stunden lang bei minus 20 Grad gekühlt. © Cornelis Gollhardt

Gut eingepackt im Frost

Eric Daelemans sieht aus wie auf einer Arktis-Expedition: Dicker Anzug, Schutz vor Mund und Nase, damit die Atemwege geschützt sind und: Handschuhe mit Heizung. Er stellt heute die Container in der Gefrierkammer ab. Hier bleiben die Container 24 Stunden und werden tiefgekühlt. Daelemans hingegen darf lediglich 45 Minuten in der Eiskammer arbeiten, da die Kälte sonst gesundheitsschädlich ist.

Die Behälter werden dann in das Kühlhaus nebenan gebracht, das zwischen zwei und acht Grad kalt ist. Die Türen sind offen, um Schimmelbildung zu verhindern. © Cornelis Gollhardt

Am nächsten Tag ziehen die Container in die etwas wärmere Kühlhalle um. Damit sich kein Schimmel bildet, müssen ihre Türen geöffnet werden. Hier bleiben die SkyCell-Einheiten dann bis zum ihrem Einsatz. DHL hält immer ausreichend gekühlte Container bereit, auch für Ad-hoc-Einsätze. „Freitags ist immer am meisten los. Da verlassen oft 40 Boxen das Terminal in Richtung Flughafen. Dort werden sie dann von den Pharmaunternehmen bestückt und gehen per Luftfracht in die ganze Welt,“ erklärt Sellami.

Intensiver Austausch

Die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen SkyCell ist sehr intensiv. „Wir konnten unserem Kunden schon wertvolles Feedback geben. Das Material ist daraufhin verändert worden und nun weniger anfällig für Risse, wenn die Container einmal länger als 24 Stunden im Froster sind“, erklärt Aghallay.

In einigen Monaten wird die gut einstudierte Routine des Teams in Mechelen besonders gefordert. Im April und Mai bereitet DHL Freight die Container für den „Starkverkehr der Pharmaindustrie“ vor. Christophe Pintelon erklärt: „Im Sommer läuft die Produktion der Impfstoffe auf Hochtouren – beispielsweise gegen Grippe. Im Herbst werden diese dann in den Arztpraxen gebraucht. Vorher werden die Impfstoffe rechtzeitig in SkyCell-Behältern in die ganze Welt verschickt. 2024 hat sich in dieser Zeit das Volumen an Containern, die wir hier bearbeiten, verdoppelt. Dann brauchen wir auch zusätzliche Arbeitskräfte.“

Während ihrer Reise stehen die SkyCell-Container dann auch schonmal bei glühender Hitze auf dem Vorfeld eines Flughafens, etwa in Dubai. Ihre Temperatur halten sie aber auch dort. Weil sechs Freight-Kolleg:innen in Mechelen sie dafür fitgemacht haben.

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SkyCell

  • Gründung: 2012
  • Hauptsitz: Zug
  • Produktionsstandort: Basel
  • Unternehmensgründer: Nico Ros und Richard Ettl
  • Mitarbeiter: mehr als 250
  • Umsatzziel 2025: 100 Millionen Franken (ca. 105 Mio. Euro)
Sein Kollege Zaid Aghallay betreut den Kunden SkyCall und ist das Bindeglied zu seinen operativen Kollegen. © Cornelis Gollhardt

Drei Fragen an Marco Taschetta, verantwortlich für Lieferanten und Einkauf bei SkyCell

Was sind die Bedürfnisse Ihrer Kunden?

Die Kunden von SkyCell wollen nahtlose, effiziente und globale Lieferketten für ihre Pharmaprodukte. Sie brauchen sichere, temperaturkontrollierte Container, um die Integrität ihrer Produkte zu gewährleisten. Gleichzeitig sollen die Lösungen nachhaltig sein, um Risiken und Umweltauswirkungen zu reduzieren. SkyCell erfüllt diese Bedürfnisse mit hybriden Smart-Containern, KI-gesteuerten Systemen und einem globalen Netzwerk, das die Lieferkette optimiert.

Wie wird sich das und der gesamte Life Science & Healthcare-Sektor (LSH) in den kommenden Jahren verändern?

Der Bedarf an sicherer und temperaturkontrollierter Verteilung von Medikamenten wird zunehmen. Besonders da Therapieformen wie Zell- und Gentherapien, Biologika (Medikamente aus biologischen Substanzen) und personalisierte Medizin fortschreiten. Der LSH-Markt wird sich in Richtung spezialisierterer, effizienterer und schnellerer Vertriebsnetzwerke entwickeln. Auch die Digitalisierung geht weiter: KI, Automatisierung und Datenaustausch werden entscheidend für die Optimierung von Lieferketten, die Einhaltung strengerer Compliance-Vorschriften und die sichere Lieferung lebensrettender Behandlungen weltweit. Und das Nachhaltigkeit wird noch wichtiger – Kunden wollen die Integrität ihrer Produkte gewährleisten und gleichzeitig die Umweltauswirkungen reduzieren.

Warum haben Sie sich für DHL Freight als Partner entschieden?

Ausschlaggebend dafür waren, die Erfahrung, ihr weltweiten Netzwerks und ihr Engagement in Sachen Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit. Aber besonders wichtig für uns ist das DHL-Team, das uns bei komplexen operativen Abläufen unterstützt. In unserem größten Servicezentrum von DHL Freight in Mechelen bearbeiten die DHL-Kolleg:innen sehr hohe Volumina und die langjährige Partnerschaft setzt mittlerweile eine Maßstäbe in der Branche.

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