Dieselpreis-Kommentar von Eugen Weinberg, Leiter Rohstoffanalyse der Commerzbank
Die Ölpreise konnten das Jahresanfangsniveau von weit über 50 USD je Barrel nicht halten. Entsprechend notieren auch die Dieselpreise fast zehn Prozent niedriger als im Winter. Schließlich gilt 50 USD je Barrel als die Gewinnschwelle für den US-Schieferölsektor, der sich als Grenzproduzent am Markt etabliert hat. Er reagiert letztlich auf die Preise über Mengenausweitung oder -reduktion und bestimmt diese so mit.
Einfluss der OPEC
Entsprechend kann die OPEC über „ihre Mengensteuerung“ nur noch sehr begrenzt die Preise beeinflussen. Immerhin hat sie es zusammen mit anderen wichtigen Produzentenländern geschafft, durch ihre Ankündigung einer Angebotsverknappung die Preise aus ihrem Zwölf-Jahrestief Anfang 2016 nach oben zu hieven. Und tatsächlich dürften das Angebot im laufenden Jahr hinter der Nachfrage zurückbleiben und die übervollen Lager abgebaut werden.
Wie wird die zweite Jahreshälfte?
Allzu lange dürfte aber die momentan hohe Disziplin bei der Umsetzung des Abkommens nicht halten. Um nicht immer mehr Marktanteile zu verlieren, werden die Ölhähne in der zweiten Jahreshälfte wohl wieder (meist heimlich) aufgedreht. Die Rohölpreise sollten folglich in der zweiten Jahreshälfte nachgeben. Die Dieselpreise dürften diesen Preisrutsch aber wegen steigender Verarbeitungsmargen nicht nachvollziehen. Denn nach dem eher schwachen Vorjahr läuft die Dieselnachfrage derzeit rund. Das liegt auch an der guten Konjunktur im diesellastigen Europa. Und auch wenn die Antriebstechnik Diesel – ob des Abgasskandals, der hohen Feinstaubbelastung und drohender Fahrverbote in den Innenstädten – auf dem Prüfstand steht und der Anteil der Dieselfahrzeuge an den Pkw-Neuzulassungen in Europa unter 50 Prozent gerutscht ist, wird dieser Effekt nur ganz allmählich den Dieselbedarf drücken. Der Dieselpreis wird sich folglich dem leichten Abwärtssog von Rohöl entziehen und Ende des Jahres saisonbedingt sogar etwas höher notieren als aktuell.