Am Internationalen Weltfrauentag stehen Frauen im Mittelpunkt. Das sollten sie aber nicht nur an diesem einen Tag tun. Eine vielfältige Belegschaft ist ausschlaggebend für erfolgreiche Konzerne. Wir haben mit Anabela Pires, Mitglied im Freight Management Board und Leiterin der Region Ost- und Südeuropa, darüber gesprochen, was aus ihrer Sicht noch zum idealen beruflichen Umfeld für mehr Frauen in Führungspositionen fehlt und welche Tipps sie für junge berufstätige Frauen hat.
Anabela Pires verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im operativen Frachtgeschäft. Sie begann ihre Karriere bei Deutsche Post DHL Group im Jahr 2012. 2014 übernahm sie zusätzlich die Verantwortung als Niederlassungsleiterin Maintal, bevor sie 2015 in ihre Rolle als Area Manager Central DHL Freight Deutschland & Niederlassungsleiterin Maintal wechselte. Seit dem 1. Januar 2021 ist sie CEO DHL Freight CESE.
Wie sind Sie zur Logistik gekommen und schließlich zu einer hohen Führungsposition bei DHL Freight?
Ich habe früh rebelliert und erst einmal das Gegenteil von dem gemacht, was meine Eltern von mir erwartet haben. Ganz spontan habe ich mich für eine Ausbildung zur Speditionskauffrau entschieden. Relativ schnell habe ich gemerkt, dass ‚Chefin sein‘ das ist, was ich will. Denn ich dachte ‚was mein Chef kann, kann ich auch‘. So habe ich noch ein Logistik-Studium mit Schwerpunkt Verkehr und Wirtschaft drangehängt. Ich habe meine Karriere im Vertrieb begonnen und danach schnell Verantwortung übernommen.
Inzwischen haben Sie Ihr Ziel erreicht: Sie sind Führungskraft und leiten bei DHL Freight eine große Region.
Vor zwölf Jahren bin ich zu Freight gekommen und habe verschiedene Positionen innegehabt, bevor mich Uwe Brinks vor drei Jahren gefragt hat, Mitglied im Freight Management Board zu werden. Es ist großartig, dass ich damals durch meinen eher spontanen Entschluss in die Logistik zu gehen, genau das getroffen habe, was mir wirklich Spaß macht und sich nun durch mein gesamtes berufliches Leben zieht.
„Was mein Chef kann, kann ich auch!“ – hatten Sie damals schon den richtigen Riecher?
Wenn man will, kann man alles schaffen. Meine Lebensweisheit ist, dass man Ansprüche haben darf und Dinge ausprobiert. Es könnte ja gut werden. Ich habe versucht, genau das auch meinen beiden Töchtern mitzugeben, die mittlerweile erwachsen sind. Wenn man es nicht probiert, trauert man vielleicht sein ganzes Leben irgendeiner Chance nach. Es ist mir wichtig, voranzukommen, besser zu werden und mich weiterzuentwickeln – das sollte nie aufhören, egal wie alt man ist, gleichwohl im Privaten und im Beruflichen. Ich glaube, es ist wichtig, offen zu sein, für alles, was kommt, egal ob positiv oder negativ.
Hatte Ihr Anspruch an Sich auch etwas damit zu tun, dass es in der Logistik nicht viele Chefinnen gab?
Genau! Ich bin jetzt 52 und finde, dass sich unsere Branche in Bezug auf Gleichstellung in den letzten zwei Jahrzehnten schon sehr zum Guten gewandelt hat. Nach meinem Studium gab es in den Chefetagen, aber auch im Vertriebsbereich, in dem ich tätig war, kaum Kolleginnen. Da war ich als Frau teilweise sehr einsam auf weiter Flur. Das ist heute schon viel, viel besser.
Bei DHL macht es keinen Unterschied, ob ich Frau bin oder Mann, woher ich komme, welche Hautfarbe ich habe oder woran ich glaube. Das gefällt mir sehr!
Anabela Pires, CEO DHL Freight CESE
Warum ist es wichtig für DHL Group, dass wir eine vielfältige und inklusive Belegschaft haben?
Ich bin überzeugt davon, dass der Blickwinkel viel weiter ist, wenn in gemischten Teams zusammengearbeitet wird. Das Spektrum, wie bestimmte Dinge angegangen werden, ist vielfältiger. Wenn ein diverses Team entscheidet, dann tut es das, ohne bereits im Vorfeld bestimmte Möglichkeiten oder Sichtweisen auszuschließen. Für ein Unternehmen kann das nur von Vorteil sein.
Wie profitiert ein Unternehmen von Mitarbeiterinnen und weiblichen Führungskräften? Welche Qualitäten bringen sie mit?
Frauen haben einen anderen Blickwinkel. Das große Ganze zu sehen ist genauso wichtig wie das einzelne Puzzleteil – Zwischentöne sind niemals unwichtig. Es ist wichtig, alle mit ins Boot zu holen und dadurch Balance und Vielfalt zu schaffen, von denen Unternehmen profitieren können. Denn auf der Langstrecke sollte man auch auf die Einzelkomponenten achten. Sie können durchaus den Unterschied machen.
Wie gut ist DHL in Sachen vielfältige Belegschaft?
Wir machen das schon sehr viel besser als andere Unternehmen. Bei DHL macht es keinen Unterschied, ob ich Frau bin oder Mann, woher ich komme, welche Hautfarbe ich habe oder woran ich glaube. Das gefällt mir sehr! Natürlich gibt es immer Luft nach oben. Nicht zuletzt sind Unternehmen, die früh auf Frauenförderung gesetzt haben, auch erfolgreicher. Das spiegelt sich auch in den finanziellen Ergebnissen. Und ich glaube, Unternehmen mit weiblichen Führungskräften sind generell attraktiver.
Für potenzielle weibliche Mitarbeiterinnen?
Sowohl für Bewerberinnen als auch für Mitarbeiterinnen, die schon bei uns arbeiten. Im Jobinterview ist es für Frauen wahrscheinlich authentischer mit anderen Frauen beispielsweise über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sprechen statt mit einem Mann. Ich denke aber auch, dass das die Geschlechterfrage in Zukunft gar nicht mehr so relevant sein wird. Meine Töchter sind 21 Jahre alt und für sie ist das Thema schon nicht mehr so stigmatisiert wie für meine Generation. Keine Frau sollte das Gefühl haben, dreimal so gut sein zu müssen, weil sie eine Frau ist. Interessanterweise ist das zum Beispiel in den osteuropäischen Ländern kein Thema. Dort ist es selbstverständlicher, dass Frauen Führungsverantwortung übernehmen.
Probiert Dinge aus. Traut euch! Weiterentwicklung findet statt, wenn man sich auf Neuland wagt.
Anabela Pires, CEO DHL Freight CESE
Fehlt Ihnen noch etwas zum idealen Arbeitsumfeld?
Aus meiner Sicht muss sich in unserer Gesellschaft noch einiges ändern. Genauer gesagt, bei den Themen Chancengleichheit und Gehaltstransparenz. Das ist Fakt. Frauen sollten sich nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen. Bei vielen Teilzeitstellen haben Frauen nicht die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen – der Karriereknick, nachdem Frauen Kinder bekommen haben, ist leider immer noch zu oft Programm muss aber nicht sein. Warum sollte man keine Verantwortung mehr übernehmen können, nachdem man eine Zeit aus dem Job raus war oder in Teilzeit arbeitet? Auch bei der Gehaltstransparenz ist es noch ein Stück zu gehen, gerade weil Frauen oft das Auslassen von ein oder zwei Gehaltsrunden durch die kinderbedingte Abwesenheit im Beruf in Kauf nehmen müssen.
Sie haben am Frauenförderungsprogramm ‚Shift up a gear‘ teilgenommen. Wie kann eine solche Initiative dazu beitragen, dass unsere Belegschaft vielfältiger wird?
Das ist eine großartige Sache. Ich hatte damals ein Gespräch mit Tobias Meyer, der zu dieser Zeit noch Vorstand von Post & Paket war. Im Gespräch mit ihm hatte ich mein Interesse geäußert, auch mal eine andere Division kennenzulernen – nicht unbedingt als nächsten Karriereschritt, sondern um mich auszutauschen. Das hat er sich gemerkt und einige Tage später bekam ich einen Anruf von P&P. Dieser Austausch ist so wichtig und wertvoll! Netzwerken und andere Perspektiven kennenlernen: Das kann ich jedem nur empfehlen, unabhängig von der Position oder Seniorität.
Sie sind selbst Mentorin. Was raten Sie jungen Kolleginnen?
Sich auszutauschen und zu netzwerken. Das hilft, um sich weiterzuentwickeln – in der eigenen Rolle oder in Richtung Führungskraft. Ich selbst finde diese Gespräche ebenfalls sehr bereichernd. Mir hat es geholfen, meinen Anspruch klarer an mich selbst und mein Umfeld stellen zu können. Probiert Dinge aus. Traut euch! Weiterentwicklung findet statt, wenn man sich auf Neuland wagt. Ich glaube auch, dass Frauen nicht wie Männer sein oder sich verhalten müssen, um beruflich erfolgreich zu sein. Sie sollten sich ihr Frausein bewahren. Es ist gerade der Mix, der uns und das Unternehmen erfolgreich macht. Wir sind als Konzern schon gut unterwegs, können aber noch mehr erreichen, wenn wir gut ausgebildete Frauen in Bezug auf ihre Wünsche und Karrierewege beraten und uns als Arbeitgeber erster Wahl entsprechend weiterentwickeln.