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Künstliche Intelligenz verstehen: Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten

Artificial Intelligence in Logistics

Das Konzept der Künstlichen Intelligenz (KI) existiert seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und seitdem wird an KI-Systemen geforscht. Mit der Vorstellung von ChatGPT im Jahr 2022 hat sich die Entwicklung jedoch rasant beschleunigt. Alle reden von KI, aber welche unterschiedlichen Formen und Anwendungen gibt es eigentlich – in der Logistik und darüber hinaus?

Was ist KI?

Die Europäische Kommission definiert im EU Artificial Intelligence Act KI als ein „maschinengestütztes System, das so konzipiert ist, dass es mit unterschiedlichem Grad an Autonomie betrieben werden kann und nach seiner Einführung Anpassungsfähigkeit zeigt, und das für explizite oder implizite Ziele aus den Eingaben, die es erhält, ableitet, wie es Ausgaben wie Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen generieren kann.“

Das ist einerseits typisch sperrige EU-Juristensprache, deckt andererseits aber die verschiedenen Aspekte, die das technische Phänomen KI ausmachen, gut ab. Vereinfacht ausgedrückt geht es um die Fähigkeit von Computern und Maschinen, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Verständnis, Planen, Lernen, Entscheidungsfindung und Kreativität zu simulieren.

Der wichtigste Unterschied von KI-Systemen zu herkömmlichen IT-Anwendungen ist dabei: KI handelt autonom und ist nicht auf vorprogrammierte Handlungsschritte angewiesen. Bei herkömmlicher Software geben Programmierer:innen einen Lösungsweg vor. Sie legen einzelne Aufgaben und Arbeitsschritte in einem Modus fest, der nach dem Prinzip „Wenn x eintritt, dann erfolgt y“ in das System eingegeben wird. KI hingegen überträgt selbstständig erlernte Vorgehensweisen auf neue Aufgaben. Dazu nutzt die KI Algorithmen.

KI-Basics: der Algorithmus

Algorithmen gibt es auch unabhängig von KI: In herkömmlichen Programmen beschreibt ein Algorithmus eine definierte Abfolge von endlich vielen Schritten oder Anweisungen, um ein bestimmtes Problem zu lösen oder eine Aufgabe zu erfüllen. Vergleichbar ist dies mit der Montageanleitung für ein Bücherregal im analogen Leben. In der digitalen Welt werden Algorithmen mit Daten versorgt, die sie nach einer spezifischen Vorgabe verarbeiten, um Ausgabedaten zu liefern.

KI-Algorithmen sind hingegen bis zu einem gewissen Grad automatisiert und können selbst weitere Algorithmen erstellen und somit auch Abläufe zur Lösung bestimmter Probleme generieren, die unabhängig von der menschlichen Eingabe sind. Damit überwindet KI die Endlichkeit konventioneller Algorithmen und deren Beschränkung auf eine bestimmte Aufgabe.

Was ist der Unterschied zwischen KI, maschinellem Lernen und Deep Learning?

KI, maschinelles Lernen und Deep Learning weisen eine Schnittmenge auf, bedeuten aber nicht das Gleiche.

  • Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet der KI. Es basiert auf Statistik und mathematischen Verfahren zur Mustererkennung. Dabei werden Algorithmen eingesetzt, die mithilfe von Datensätzen trainiert werden, um Aussagen über statistische Wahrscheinlichkeiten treffen zu können. Diese Aussagen basieren auf der Erkennung von Mustern in den Daten. Im Gegensatz zu herkömmlicher Software wird kein Lösungsweg vorgegeben und programmiert, sondern der Algorithmus findet die Muster zur Lösung autonom.
  • Deep Learning ist wiederum ein Teilgebiet des maschinellen Lernens und verantwortlich für den Erfolg von KI-Chatbots wie ChatGPT. Beim Deep Learning führen tiefe neuronale Netze Rechenoperationen durch. Ihre Funktionsweise ist dem menschlichen Gehirn nachempfunden. Vereinfacht lässt sich ein künstliches Neuron als eine simple Rechenoperation beschreiben, die an ein weiteres Neuron weitergegeben wird, welches wiederum eine weitere Operation durchführt. „Tief“ bedeutet in diesem Kontext, dass sehr viele künstliche Neuronen im Netz miteinander verschaltet sind. Wie beim maschinellen Lernen allgemein gewinnt das tiefe neuronale Netz seine Fähigkeit, zuverlässige Vorhersagen über eine Eingabe zu treffen, durch das Training mit Datensätzen. Der Durchbruch für Deep Learning gelang, als die Netze beliebig groß skaliert werden konnten. Sie sind lediglich begrenzt durch physische Parameter wie beispielsweise die Speicherkapazität.

Um auf den Unterschied zwischen KI, maschinellem und Deep Learning zurückzukommen – der ist ein bisschen spitzfindig: Maschinelles Lernen mit oder ohne neuronale Netze ist nicht die KI selbst, sondern liefert ein Modell, auf dessen Basis die KI Aussagen trifft.

Übersicht über unterschiedliche Formen der KI

Unterschiedliche Formen der KI

Die bekanntesten heutigen Anwendungsbereiche von KI sind Chatbots, Textgenerierung, Bilderzeugung (einschließlich Deep Fakes) oder autonomes Fahren. In der Logistik können beispielsweise die Bereiche Ladungsbildung, Routenplanung sowie Lagermanagement und Lagerrobotik von KI profitieren. Um die Anwendungsmöglichkeiten und Potenziale von KI in operativen Bereichen der Logistik und anderen wirtschaftlichen Anwendungen besser einschätzen zu können, ist ein Überblick über verschiedene KI-Konzepte hilfreich.

Als schwache KI oder enge KI (Narrow AI) werden KI-Systeme bezeichnet, die auf eine konkrete Aufgabe oder eine spezifische Problemstellung beschränkt sind. Ihre Schlussfolgerungen beziehen sich ausschließlich auf das über die Programmierung und das Datentraining definierte Aufgabenfeld.

Typische Beispiele für eine solche schwache KI sind Bilderkennungssysteme, Sprachassistenten wie Alexa von Amazon oder Siri von Apple, Empfehlungs-Algorithmen in den sozialen Medien, Chatbots im Kundendienst oder autonome Fahrzeuge in Warenlagern.

All diese KI-Systeme sind in ihrem spezifischen Anwendungskontext oft effizient, ihre Fähigkeiten lassen sich jedoch nicht auf andere Einsatzbereiche übertragen.

Starke KI

Der Hauptunterschied zwischen schwacher und starker KI liegt in der Fähigkeit der starken KI zur Generalisierung. Starke KI, nach dem englischen Begriff Artificial General Intelligence (AGI) auch als künstliche allgemeine Intelligenz bezeichnet, kann über ein breites Spektrum von Aufgaben und Anwendungen hinweg Sachverhalte nachvollziehen, neue Kenntnisse erwerben und diese anwenden.

Sie kann Wissen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen, auf neue Situationen flexibel reagieren und sich autonom weiterentwickeln. Das Ziel der starken KI ist das Niveau menschlicher Intelligenz (oder sogar dessen Übertreffung). Derzeit erreicht noch kein bekanntes KI-System diese Stufe der Komplexität. Dafür wäre zudem nach heutigem Wissensstand eine erhebliche Rechenleistung erforderlich.

Generative KI

Wenn im alltäglichen Sprachgebrauch von KI die Rede ist, dann ist in den meisten Fällen generative KI gemeint. Sie dominiert derzeit die KI-Anwendungsfälle. Die prominentesten Beispiele für generative KI auf Basis neuronaler Netze sind ChatGPT, Microsoft Copilot und Google Gemini.

Generative KI beginnt mit Deep Learning. Die neuronalen Netze für die Textgenerierung sind sogenannte Large Language Models (LLMs), die menschliche Sprache verstehen. Für die Erzeugung und das Verständnis von Bildern, Videos oder Musik sind hingegen andere Lernmodelle erforderlich, die auch Inhalte jenseits der Sprache verarbeiten können.

Zur Entwicklung der jeweiligen Modelle wird ein Deep-Learning-Algorithmus mit riesigen Datenmengen gefüttert. Das Ergebnis ist ein neuronales Netz aus unzähligen Operationen, Parametern, Mustern und Beziehungen. Dieser Trainingsprozess ist rechenintensiv und zeitaufwendig. Am Ende kann das neuronale Netz selbstständig Inhalte generieren, wenn es Anfragen erhält.

LLMs und andere Modelle lassen sich für bestimmte Aufgaben optimieren. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, wobei der Mensch oft gefragt ist. Menschliches Feedback, bei dem Menschen die Qualität des Outputs bewerten (Reinforcement Learning with Human Feedback, RLHF), hilft dem Modell, sich zu verbessern.

Beispielsweise können Beschäftigte einzelne Ergebnisse überprüfen und Korrekturen in das KI-System eingeben. Im weiteren Zeitverlauf verbessert sich das regenerative KI-Modell durch Anpassungen der Programmierer:innen oder durch Feedback von Nutzenden kontinuierlich.

Prädiktive KI (Predictive AI)

Wie die generative KI nutzt auch die prädiktive KI maschinelles Lernen in Kombination mit Big Data. Der Unterschied: Systeme der generativen KI verwenden LLMs, um neue Inhalte zu generieren. Die prädiktive KI nutzt maschinelles Lernen hingegen, um die Zukunft zu projektieren.

Für die Prognoseleistung lernt die KI über statistische Analysen und maschinelles Lernen, Muster zu erkennen sowie Verhaltensweisen und bevorstehende Ereignisse vorherzusagen. Beispiele sind die Bedarfsentwicklung für logistische Dienstleistungen oder die Risikoanalyse von Lieferketten.

Die prädiktive KI-Technologie beschleunigt die statistische Datenanalyse und präzisiert sie, wenn sie mit einer großen Datenmenge arbeitet. Je mehr Daten den Algorithmen zur Verfügung stehen, desto genauer sind die Prognosen. Die Prognosen dienen als Grundlage für menschliche Entscheidungen.

Präskriptive KI (Prescriptive AI)

Die prädiktive KI ist in der Regel eine menschenzentrierte KI: Sie erstellt Prognosen und überlässt dem Menschen die Entscheidung auf Basis der KI-Berechnungen. Präskriptive KI geht einen Schritt weiter. Sie baut auf prädiktiven Modellen auf, sagt aber nicht nur voraus, was passieren könnte, sondern empfiehlt auch die optimalen nächsten Schritte oder führt diese sogar selbst aus.

Präskriptive KI ist demnach prädiktive KI, bei welcher der KI jedoch mehr Kompetenzen eingeräumt werden. Im Zuge von Automatisierung könnte das bei zuverlässigen Systemen letztlich dazu führen, dass der Faktor Mensch für bestimmte Entscheidungen nicht mehr benötigt wird.

Reaktive KI

Die einfachste Stufe der KI ist die reaktive KI. Sie lernt nicht aus ihren Handlungen, ist aber so programmiert und mit Informationen versorgt, dass sie bestimmte Aktionen selbstständig ausführen kann. Solche Systeme gibt es schon lange, zum Beispiel Schachcomputer aus dem 20. Jahrhundert, die nicht durch Erfahrung besser werden, sondern durch Berechnung von Optionen und Konsequenzen zu einem Schachzug gelangen.

Self Awareness KI

Am Ende der KI-Evolution steht theoretisch die KI, die sich ihrer selbst bewusst ist. Sie kann ihren eigenen Geisteszustand wahrnehmen, darüber reflektieren und entsprechend handeln. Eine solche KI ist (noch?) rein hypothetisch. Es ist durchaus umstritten, ob Maschinen jemals ein Bewusstsein über sich selbst erlangen können. Die Thematik wirft auch ethische Fragen auf: Ist eine selbstbewusste, menschengleiche KI überhaupt erstrebenswert?

Übersicht, wobei KI in der Logistik helfen kann

Künstliche Intelligenz in der Logistik

Der Einsatz von KI in der Logistik mit ihren weit verzweigten Netzwerken und komplexen Lieferketten ist besonders vielversprechend, zum Beispiel in diesen Bereichen:

  • Bedarfsplanung: Mit prädiktiver KI lassen sich zukünftige Nachfragepeaks und die entsprechenden Transportmengen prognostizieren. Dadurch wird die Ressourcenplanung optimiert.
  • Transparente Lieferketten: Mithilfe von Deep Learning lassen sich komplexe Muster in Supply Chains erkennen, vom Wareneingang bis zur letzten Meile. Das Ziel der Lieferketten-Überwachung mit KI ist die selbstlernende Lieferkette, die Störungen antizipiert und im Sinne einer präskriptiven KI Verbesserungen anzeigt oder durchführt.
  • Prozessoptimierung: Prädiktive KI-Lösungen können Ankunftszeiten vorhersagen und ermöglichen den besseren Einsatz von Personalressourcen. Beim Warenausgang unterstützt KI die Ladungsplanung und -bildung und optimiert so die Ausnutzung der Flächenressourcen. Auch die Wahl der Transportmittel und die Routenplanung lassen sich mit KI verbessern.
  • Prädiktive KI für proaktive Wartung: Moderne Warenlager und Fuhrparks sind komplex. Ausfälle in einem Segment beeinträchtigen die gesamte Wertschöpfungskette. Dieses Risiko lässt sich durch KI-Überwachung verringern. KI analysiert den technischen Zustand von Anlagen und Fahrzeugen und sagt voraus, wann eine Komponente ausgetauscht werden muss, bevor es zu einem Ausfall kommt.

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KI und menschliche Kompetenz für exzellente Services

Bei DHL Freight erkunden wir die Möglichkeiten von KI, um unsere Services zu verbessern. Wenn es geeignete Anwendungen gibt, testen wir deren praktische Umsetzung. Im Bereich der automatisierten und intelligenten Tourenplanung arbeiten wir zum Beispiel mit dem selbst entwickelten Tool RAPTOR. Dabei handelt es sich um einen Algorithmus, der Entscheidungen zu Lieferplänen, Touren- und Routenplanung beschleunigt und optimiert.

Doch KI wäre nichts ohne unsere engagierten Mitarbeitenden. Menschliche und künstliche Intelligenz gehen bei DHL Freight Hand in Hand. Gleichwohl sind wir davon überzeugt, dass die Logistik intelligenter werden muss, um Wachstum und Nachhaltigkeit zu vereinen. Gerne beraten wir unsere Kund:innen mit unserer Expertise. Sprechen Sie uns an.

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