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Gemeinsam im Kampf gegen Korruption

Die Einhaltung und Übererfüllung gesetzlicher und branchenspezifischer Standards in einem sich ständig verändernden Umfeld ist ein wesentlicher Bestandteil der Aufgabe von DHL Freight, die Lieferketten unserer Kunden verantwortungsvoll zu gestalten. Aus diesem Grund arbeiten wir zum Beispiel mit Transparency International zusammen. In diesem Interview sprechen zwei Compliance-Experten, Dr. Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency International in Deutschland, und Dr. Sofia Halfmann, Senior Vice President, Compliance and Export Control Officer bei DHL Global Forwarding, Freight, darüber, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen NGOs und Unternehmen bei der weltweiten Korruptionsbekämpfung ist.

Dr. Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency International in Deutschland
Dr. Sofia Halfmann, Senior Vice President, Compliance and Export Control Officer bei DHL Global Forwarding, Freight

Was verbindet DHL Global Forwarding, Freight und Transparency International?

Halfmann: Transparency International ist eine wichtige Organisation für jeden Compliance-Beauftragten, auf dessen Agenda der Kampf gegen die Korruption steht. Wir sind beide auf der gleichen Seite. Daher macht es Sinn, dass wir zusammenarbeiten. Außerdem veröffentlicht Transparency International eine Fülle von Forschungsmaterialien, darunter den Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index), der eine wertvolle Informationsquelle darstellt. Ich nutze ihn seit mehr als 20 Jahren und verwende ihn auch regelmäßig in Schulungen und Workshops zur Risikobewertung. Ich hoffe, dass die Kooperation zwischen TI Deutschland und DHL Global Forwarding, Freight (DGFF) noch intensiver wird und wir in naher Zukunft noch enger zusammenarbeiten werden.

Wofür steht Transparency International als Organisation?

Mertens: Transparency International ist DIE globale Antikorruptionsorganisation. Wir haben eine ehrgeizige Vision und Mission. Wir wollen nichts weniger als eine Welt, die frei von Korruption ist. Deshalb wirken wir auf gesetzliche Maßnahmen und Reformen hin, die Korruption stoppen beziehungsweise eindämmen. Wir sind rund um den Globus aktiv und unterhalten etwa 110 nationale Büros in allen Regionen der Welt. Das ist wichtig, weil Korruption aus dem regionalen und kulturellen Kontext heraus entsteht, je nach Land unterschiedliche Ausprägungen hat und daher auch unterschiedliche Lösungsansätze erfordert.

Halfmann: Diese globale Präsenz ist etwas, das ich sehr schätze. In Ländern wie Neuseeland oder Dänemark mag es einfach sein, Korruption zu bekämpfen. In anderen Ländern aber ist es viel schwieriger. Durch eine eigene Organisation vor Ort kann TI gerade in solchen Ländern, in denen die Korruption noch immer endemisch ist, wirklich etwas bewegen und auf starke und wichtige Reformen hinwirken.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit globalen Unternehmen wie DGFF für TI?

Mertens: Sie ist sehr wichtig, weil es in Deutschland nicht an Vorschriften mangelt, sondern an der richtigen Umsetzung dieser Vorschriften. Bei der Ausarbeitung unserer Empfehlungen müssen wir eng mit globalen Unternehmen zusammenarbeiten, da sie es sind, die diese Empfehlungen letztlich umsetzen müssen. So können wir sicherstellen, dass unsere Empfehlungen auch unter geschäftlichen Gesichtspunkten praktikabel sind.

TI arbeitet auch eng mit der Politik zusammen …

Mertens: Ja, wir bauen eine Brücke zwischen Wirtschaft und Politik. Wenn Unternehmen Selbstauskünfte über Due-Diligence-Prüfungen in ihren eigenen Lieferketten geben und erklären, dass sich diese nicht umsetzen lassen – wie es kürzlich in Indien der Fall war –, müssen wir dies den Behörden mitteilen. Wir müssen fragen: „Ist es wirklich sinnvoll, dass Unternehmen ihre eigenen Partner prüfen, oder sollte eine staatliche Behörde das nicht lieber übernehmen?“ Es geht immer um Kommunikation. Nicht nur um Bürokratie und Checklisten.

Wie wichtig ist Transparency International für Sie als Compliance Officer?

Halfmann: Sie ahnen vielleicht gar nicht, wie viel Einfluss die von Transparency International durchgeführten Untersuchungen haben können. Man kann mit Leuten viel über Korruption und Gesetze sprechen oder darüber, was sie tun und lassen sollten – aber erst wenn man ihnen die Weltkarte des Korruptionsindex zeigt, wird ihnen die Bedeutung dieses Themas wirklich bewusst. Sie öffnet Führungskräften und anderen Kolleginnen und Kollegen wirklich die Augen.

Wo sehen Sie aktuell die größten Korruptionsrisiken?

Mertens: Wie wir zuletzt gesehen haben, kann Korruption auch eine Begleiterscheinung von Krisen sein. Auch Deutschland, das im Korruptionsindex weit unten rangiert, war davon betroffen. Man denke nur an die Maskenaffären im vergangenen Jahr. Lobbying ist ein sehr wichtiger Teil der politischen Entscheidungsfindung. Diese Interaktion zwischen Politik und Wirtschaft stellt sicher, dass die verschiedenen Teile der Gesellschaft Gehör finden. Sie sollte aber transparent sein. Es sollte gewährleistet sein, dass wirklich alle Interessengruppen, die von einem Thema betroffen sind, gehört werden und dass alle Fakten offengelegt werden. In Krisenzeiten kann aber vieles zu kurz kommen. Um schnell zu handeln, werden Prozesse – insbesondere Due-Diligence-Prozesse – verkürzt. So war es auch bei der Maskenaffäre. Wir versuchen, den politischen Entscheidern klarzumachen, dass sie Due-Diligence-Prozesse nicht abkürzen sollten. Am Ende kostet es nur mehr Zeit und mehr Geld – und kann rufschädigend sein.

Für DGFF stellt die Zollabfertigung in vielen Ländern ein hohes Korruptionsrisiko dar. Was haben Sie unternommen, um sicherzustellen, dass die Null-Toleranz-Politik umgesetzt wird?

Halfmann: Als Zollagenten für unsere Kunden müssen wir erstklassig arbeiten und schnell sein. Wir können nicht warten, weil jede Verzögerung bedeutet, dass Waren liegen bleiben, Standgelder anfallen und Platz in einem Lager blockiert wird. Wir sind also darauf angewiesen, dass Regierungsbeamte, Zollbehörden und Zollbeamte die Waren abfertigen, und zwar so schnell wie möglich, und das wissen sie auch. In Ländern ohne elektronisches Zollabfertigungssystem müssen wir sogar Unterschriften oder Stempel einholen und persönlich sicherstellen, dass die Waren durch diesen Prozess geleitet werden. Aus diesem Grund haben wir das Customs Interaction Excellence Project (CIEP) ins Leben gerufen. Es soll die vollständige Regelkonformität unserer weltweiten Zollabfertigungsprozesse gewährleisten.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Halfmann: Wir waren in allen Ländern, insbesondere in denjenigen, die als besonders korruptionsgefährdet gelten, und haben verschiedene Maßnahmen ergriffen. Wir haben sichergestellt, dass kein Bargeld im Spiel war und alle Zahlungen an die Zollbehörden vollständig quittiert und legitimiert wurden. Wir haben unsere Beschäftigten und Führungskräfte geschult und zertifiziert. Wir haben direkt mit den Zollbehörden gesprochen und sichergestellt, dass sie unseren Kampf gegen die Korruption unterstützen. Jeder Zollabfertigungsprozess betrifft lokale Regelungen. Daher wurden einige Maßnahmen auf die einzelnen Länder zugeschnitten. Letztlich war unser Programm sehr erfolgreich. Es hat uns auch geholfen, die Qualität unserer Zollabfertigungsprozesse zu bewerten und zu verbessern. Denn je weniger Lücken es gibt, desto weniger Fehler werden gemacht – und desto weniger müssen die Behörden eingreifen und Sendungen blockieren. Wir machen eher Abstriche beim Gewinn, aber niemals bei der Compliance.

Wie unterstützen neue geschäftliche Trends wie ESG und Nachhaltigkeitsfahrpläne die Antikorruptionsagenda?

Mertens: Sie sind sicherlich eine Chance. Wir sprechen viel über das E und das S in ESG, aber das G wird häufig vernachlässigt. Ich würde gerne die Reihenfolge ändern, denn um gute Verfahrensweisen zu haben, muss man sich zuerst mit dem G beschäftigen. Wir müssen mehr darüber sprechen, wie sich das E, das S und das G gegenseitig unterstützen, wie sie miteinander verknüpft sind und wer gewährleistet, dass wir die gleichen Kriterien und das gleiche Überwachungssystem haben.

Welche Sichtweise vertritt DGFF in Bezug auf Compliance und ESG?

Halfmann: Ich stimme Anna-Maija voll zu. Die Governance sollte an erster Stelle stehen. Danach kann man sich dann um die technischen Inhalte kümmern. Ich halte es für sinnvoll, das Thema stärker in die Öffentlichkeit zu rücken, aber wir müssen darauf achten, dass es nicht zu einer Abhakübung wird. Wir sollten keine KPIs definieren, nur um KPIs zu haben.

Mertens: Das ist ein sehr guter Punkt, Sofia. Wenn wir über die Regelungen sprechen, konzentrieren wir uns häufig darauf, uns an das zu halten, was von uns verlangt wird, oder die bürokratischen Vorgaben und technischen Verpflichtungen zu befolgen. Stattdessen sollten wir mehr über die Absicht hinter den Gesetzen sprechen: Warum gibt es sie? Wir müssen deutlich machen, was wir eigentlich erreichen wollen, und sicherstellen, dass die Instrumente nicht missbraucht werden.

Betrachten Sie Compliance als Wettbewerbsvorteil?

Halfmann: Ja, auf alle Fälle, und zwar immer mehr. Unsere Kunden erwarten das nicht nur von uns, sondern unterziehen uns auch einer entsprechenden Due Diligence. Anders als Pharmaunternehmen haben wir kein patentiertes Produkt, das die ganze Welt braucht. Wir transportieren Waren von A nach B – genauso wie unsere Wettbewerber. Was uns von anderen Anbietern unterscheidet, ist unsere Servicequalität, und das umfasst auch die Compliance: Wir bringen unsere Kunden nicht in Schwierigkeiten, wir unterstützen sie. In einigen schwierigen Ländern, insbesondere in Ländern, die im Korruptionsindex sehr schlecht abschneiden, ist die Compliance ein wichtiges Verkaufsargument für unsere Vertriebskollegen. Eine Podiumsdiskussion im Rahmen unserer jüngsten internen Compliance Awareness Week hat dies bestätigt: Die teilnehmenden Kunden erklärten, dass sie sich bei der Wahl zwischen Preis und Compliance immer für den Dienstleister entscheiden würden, der ein gutes Compliance-Programm hat.

Weshalb machen Sie sich für die Abschaffung der Korruption stark?

Mertens: Als Politikwissenschaftlerin und Institutionalistin interessiere ich mich leidenschaftlich für Prozesse und Strukturen. Außerdem ist es großartig, Teil einer weltweiten Bewegung zu sein. Ich komme ursprünglich aus Finnland und arbeite jetzt in Deutschland – allein die Mischung ist schon sehr interessant. Zu sehen, dass wir letztlich in der Lage sind, die Welt zu verändern, ist absolut fantastisch.

Halfmann: Ich möchte unseren Beschäftigten helfen, Klartext zu sprechen und weltweit Veränderungen zu bewirken, indem sie Regierungsbeamten oder anderen klarmachen, dass Korruption nicht in Ordnung ist und negative Folgen für die Gesellschaft hat. Keiner mag Korruption – zumindest keiner, der Opfer korrupter Handlungen ist. Es gibt immer noch viel zu tun, aber es ist auch schon viel passiert – vor 20 Jahren, als ich meine Laufbahn im Compliance-Bereich begann, war sah es insgesamt definitiv schlechter aus als heute. Es gibt also Hoffnung, und als Teil von DPDHL können wir alle einen Unterschied machen.

Über Transparency International

Transparency International mit Sitz in Berlin wurde 1993 gegründet und ist in mehr als 110 Ländern aktiv. Zweck der Organisation ist die Bekämpfung von Korruption. Durch seine Lobbyingaktivitäten, seine Kampagnen und seine Forschungstätigkeit identifiziert TI korruptionsfördernde Strukturen in Ländern und setzt sich für eine größere Transparenz und Integrität in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein. Eine Mitgliedschaft bei Transparency International Deutschland hat drei Hauptvorteile für Unternehmen:

  • Garantierter Austausch: Bevor TI mit Politikern darüber spricht, welche neuen Gesetze benötigt werden, spricht die Organisation mit ihren Mitgliedern und hört sich ihre Argumente und Bedenken an.
  • Vertrauliches Peer-Learning: Mitglieder haben die Möglichkeit, über Fälle und Misserfolge zu sprechen und von anderen Experten zu lernen.
  • Bevorzugter Zugriff auf alle Ressourcen: Die Mitglieder erfahren als erste über neue Berichte und Forschungsarbeiten, die sie dann in ihrem täglichen Geschäft nutzen können.

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