Der Kommentar zur aktuellen Marktlage in der europäischen Logistikbranche und zur Frachtauslastung zum Jahreswechsel 2017/18 von Martin Veen, Leiter M&A & strategische Projekte, DHL Freight.
Bedingt durch insgesamt hervorragende makroökonomische Rahmenbedingungen entwickelt sich die Nachfrage im europäischen Straßengüterverkehr weitgehend stabil bis ansteigend. Die Rekord-Frachtauslastung im September und Oktober 2017 hat sich in den letzten beiden Monaten des Jahres ¬– auf weiterhin hohem Niveau – stabilisiert. Die systemisch am Markt vorherrschenden Kapazitätsengpässe machten es mitunter herausfordernd, die vorhandene Laderaumnachfrage mit angemessener Qualität zu bedienen. Gleichwohl waren deutliche Unterschiede innerhalb von Europa auffällig, mit starken Nachfrageschwankungen zwischen den einzelnen Ländern. Während es regional teils große Wachstumsschübe zu verzeichnen gab, zeigten sich andere Märkte sehr anfällig gegenüber lokalspezifischen Einflüssen wie beispielswese Währungsschwankungen.
Nach einem in vielen Ländern moderaten bis stabilen Jahresbeginn 2018 ist im derzeitigen Marktumfeld in den kommenden Monaten mit einer wiederum graduell steigenden Laderaumnachfrage zu rechnen. Allerdings gibt es Unwägbarkeiten, deren Einfluss auf die Gesamtentwicklung nur schwer oder gar nicht abzuschätzen ist.
Fahrer- und Personalmangel
Die Auswirkungen des anhaltenden Fahrermangels in der Speditionsbranche erreichten im zweiten Halbjahr 2017 Ihren vorläufigen Höhepunkt. Steigende Frachtraten, nicht eingehaltene Qualitätsversprechen und vereinzelt auftretender Opportunismus der Frachtführer stellten die Marktteilnehmer vor erhebliche Herausforderungen. Regional ist insbesondere Mittel- und Osteuropa besonders stark von einem nachhaltigen Personalmangel in der Logistik betroffen. Die notwendige Gestaltung und Durchsetzung von einheitlichen und geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen ist europaweit noch unausgereift und behindert somit die langfristige Planbarkeit.
Wochenruhezeiten
Bislang kontrollierten vor allem Frankreich, Deutschland und Belgien die Einhaltung der Klausel im „Europäischen Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals“ (AETR) bezüglich des Aufenthalts der Fahrer während ihrer Wochenruhezeit, die demzufolge nicht mehr im Fahrzeug verbracht werden darf. Nachdem der Europäische Gerichtshof diese Klausel noch einmal bekräftigt und für rechtens erklärt hat ist eine deutliche Zunahme und Ausweitung der Kontrollen auf die anderen EU-Staaten zu erwarten. Es gilt zu beobachten, inwieweit sich allgemeine Preisstrukturen und Transitzeiten auf bestimmten Routen innerhalb von Europa hierdurch bedingt anpassen werden.
Brexit
Viele Wettbewerber schließen derzeit keine langfristigen Verträge für Transporte ins Vereinigte Königreich ab, zu unsicher sind die tatsächlichen Auswirkungen des EU-Austritts. Auch gibt es inzwischen Bestrebungen der Marktteilnehmer, Alternativen zu bestehenden Handelsrouten zu entwickeln und z.B. Fährtransporte über die Nordsee zu schicken.
Währungsschwankungen
Die aktuelle Schwäche des britischen Pfund ist derzeit noch nicht in vollem Umfang in die Frachtraten in Richtung Vereinigtes Königreich eingepreist, was die hiesige Marktlage durch entsprechende Preisunsicherheit zusätzlich verkompliziert. Neben der Pfund-Schwäche verursacht die aktuelle Aufwertung der tschechischen Krone (CZK) höhere Kosten für die Speditionen aus dieser Region, was ebenfalls Unsicherheiten mit sich bringt.