Es war knapp. Sehr knapp. Doch die Entscheidung ist gefallen. 51,9 Prozent der Briten haben für einen Austritt aus der EU gestimmt. Für die Logistik in Europa wird dieser Schritt deutliche Auswirkungen haben – allerdings nicht zwangsweise nur negative.
Wie geht es jetzt weiter? Zunächst einmal wie bisher. Denn zwischen Abstimmung und dem endgültigen Austritt liegt ein langer, sehr langer Verhandlungsmarathon. Bis zu sieben Jahre wird es dauern, bis das Verhältnis EU-Großbritannien neu geordnet ist, schätzt EU-Präsident Donald Tusk. Alleine die Auflösung der bestehenden Verträge wird voraussichtlich etwa zwei Jahre dauern. Dann beginnt der weit schwierigere Teil. Denn bislang ist völlig unklar, in welchem wirtschaftlichen Verhältnis die EU und Großbritannien in Zukunft stehen werden. Es gibt mehrere Modelle. Beispielsweise eine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder ein bilaterales Handelsabkommen mit der EU.
Amadou Diallo, CEO DHL Freight: „Ich bedauere das Votum der Briten. Und das nicht nur, weil Handelsbarrieren für Logistikunternehmen naturgemäß eine Herausforderung darstellen. Aber wir müssen die demokratische Entscheidung akzeptieren und damit umgehen.“
Wie auch immer – Großbritannien muss mit jedem einzelnen der 27 EU-Mitgliedstaaten verhandeln, wie es weitergehen soll. Dem Ergebnis muss dann noch das Europäische Parlament zustimmen. „Ich fürchte, ohne jede Erfolgsgarantie“, sagt Tusk der deutschen Bild-Zeitung.
Die Unsicherheit hemmt das Wachstum
Großbritannien hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Der Abschied aus der Gemeinschaft wird negative wirtschaftliche Folgen für alle Akteure haben. 44 Prozent der britischen Exporte gehen in den EU-Raum, 53 Prozent der Importe in das Königreich kommen aus EU-Ländern. Betroffen ist auch der Handel mit Drittstaaten. Mehr als 50 Freihandelsabkommen mit anderen Staaten müssen die Briten nun neu verhandeln. Das dauert. Bis klare Verhältnisse geschaffen sind, ist die Unsicherheit groß. Das wird sicherlich das britische Wirtschaftswachstum deutlich bremsen.
Die Wiedereinführung von Handelsbarrieren erhöht die Preise für Importe, durch Zollkontrollen und mehr Bürokratie verlängern sich Transportzeiten und die Beschaffungs- und Distributionsprozesse verlangsamen sich. Das schlägt sich auf die Preise nieder. Natürlich kommt der Handel nicht zum Erliegen, aber es wird weniger. Entsprechend wird das Transportvolumen von und nach Großbritannien sinken. Handelsbarrieren zeigen sich auch bei der Wahl von Produktionsorten. Beispielsweise in der Automobilindustrie, wo Just-In-Time-Produktionen weit verbreitet sind.
Ob der Brexit nur negative Auswirkungen hat, ist strittig. So könnten beispielsweise die durch den EU-Austritt verteuerten britischen Exporte innerhalb des Binnenmarktes substituiert werden. Davon würden die EU-Staaten profitieren. Ein anderes Szenario hält es für denkbar, dass die zu erwartende Abwertung des britischen Pfunds die Exportquote hochtreibt. Auch dies ist denkbar.
Der Brexit wird lange nachwirken. In die eine oder andere Richtung. Laut dem deutschen Nachrichtenmagazin Fokus würden 48 Prozent der Italiener und 41 Prozent der Franzosen gerne dem britischen Beispiel folgen.