Die Alpen sind weltweit das am besten erschlossene Hochgebirge. Trotzdem besteht die Gefahr des Verkehrsinfarkts.
Wie die Zukunft des Alpentransits aussieht, ist noch nicht ausdiskutiert. Eines gilt als sicher: Es wird weniger Schwerlastverkehr auf der Straße geben. Darauf stellen sich auch die Logistiker ein. „Wir unterstützen eine stärkere Verknüpfung von Lkw- und Schienenverkehr gerade auf hochfrequentierten und damit auch hochbelasteten Strecken“, sagt Robert Ziegler, COO Non-Terminal Based Operations & Value Added Services DHL Freight. „Wir beobachten zudem neue Transportoptionen und versuchen, sie zeitnah in unser Angebot einzubauen.“
Handeln führt zu Verbesserungen
Am Beispiel der Schweiz zeigt sich, welch wichtigen Beitrag etwa der Umstieg von der Straße auf die Schiene leistet, wenn es darum geht, den Schwerlastverkehr besser zu verteilen. So sank seit 2010 der Straßentransit dort um 21 Prozent. Der Anteil der Schiene ist dagegen auf über 71 Prozent gestiegen. Möglich wird dies unter anderem durch große Eisenbahntunnel, die die Schweiz schon realisiert hat und noch baut. Am österreichisch-italienischen Brenner liegt der Schienenanteil – noch – bei 29 Prozent. Ein Eisenbahntunnel steht auch hier auf der Agenda. Der Brennerbasistunnel wird voraussichtlich 2026 fertig.
Umweltprobleme erzeugen Handlungsdruck
Baumaßnahmen sind ein Fortschritt, reichen allerdings alleine nicht, um die Probleme durch den Alpentransit zu reduzieren. Für eine zukunftsfeste Verkehrsplanung diskutieren Anrainerländer und auch viele Aktionsbündnisse von Bürgern seit Jahren über Maßnahmen, die vor allem darauf abzielen, den Straßenverkehr mehr zu steuern und zu reduzieren. Die angedachten Minderungen sind stellenweise drastisch: Tirol beispielsweise überlegt, den Transit über den Brenner bis 2030 zu halbieren, mit einer Obergrenze von einer Million Lkw pro Jahr. Zum Vergleich: 2017 registrierte die Zählstelle in Schönberg 2,25 Millionen Lastwagen, ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Sofortmaßnahmen mit Konfliktpotenzial
Da viele Konzepte aufgrund der internationalen Absprachen Zeit brauchen, greifen Regionen auch zu Notmaßnahmen, die sofort wirken. Dazu zählt etwa die Blockabfertigung – ein umstrittenes Mittel mit Nebenwirkungen. Ende 2017 war es zu langen Staus auf Bayerns Autobahnen gekommen, als nur 300 Lkw pro Stunde die deutsch-österreichische Grenze auf der Inntalautobahn vor Kufstein passieren durften. Zudem stehen Blockabfertigungen dem EU-Grundsatz des freien Warenverkehrs entgegen.
Ab Juli 2018 tritt zudem die nächste Stufe des sektoralen Fahrverbots für die Inntalautobahn in Kraft. Dann dürfen Lkw der Kategorie Euro 6 mit bestimmten Gütern wie Abfällen, Steinen, Erden, Erzen oder Kraftfahrzeugen nicht mehr durch Tirol fahren. Bis jetzt waren Euro 6-Lkw vom Fahrverbot ausgenommen.
Abgaben und Kontrollen als Verkehrsbremsen
Auch mit dem Maut- und Vignettensystem wollen Verkehrsexperten Transporte noch stärker lenken. Damit eine höhere Maut in einem Land den Verkehr nicht verlagert, ist die Idee einer Korridormaut entstanden. Das ist eine einheitliche Abgabe für eine Transittrasse. Die Regionen Tirol, Südtirol und Trentino haben sich schon Anfang 2018 zu abgestimmten Mautgebühren zwischen München und Verona bekannt.
Als Instrument für die Verlagerung der Transporte weg von der Straße denkt die Politik auch an schärfere Schwerverkehrskontrollen. Kontrollkriterien können etwa Masse, Gewicht, Lenk- und Ruhezeiten oder Fahrzeugzustand sein. Ebenso gilt ein straff durchgesetztes Nachtfahrverbot als Hebel für weniger Verkehr.
Standards erleichtern Transport
Während Sofortmaßnahmen, Abgaben und Kontrollen viele Konflikte bergen, sind die Vorteile von Standards kaum umstritten. Von einer Vereinheitlichung der technischen Systeme für den Huckepack-Verkehr, also den Transport von Lkw auf der Schiene, erwarten die Experten beispielsweise mehr Effizienz. Und durch einen genormten Containerverkehr wird es möglich sein, dass die Lkw-Fahrer nicht mehr wie bei der Rollenden Landstraße (RoLa) auf dem Zug mitreisen müssen.
Wirtschaftlich nur mit Vernetzung
Die Hoffnung auf mehr Effizienz verbindet sich auch mit den großen Tunnelprojekten. So gehören beispielsweise zur Neuen Eisenbahnalpentransversale (NEAT) in der Schweiz der Ceneri-Basistunnel – Eröffnung voraussichtlich 2020 – sowie die Basistunnel am Gotthard und am Lötschberg. Österreich und Italien bauen am Brennerbasistunnel. Nur: Die europäische Vernetzung dieser Projekte ist derzeit nicht optimal. Es hakt unter anderem beim Bau der Zulaufstrecken. Im bayerischen Inntal zum Beispiel haben die Probebohrungen für den nördlichen Zulauf des Brennerbasistunnels gerade erst begonnen. Kritiker rechnen damit, dass die Strecken nicht vor 2040 nutzbar sind.
Beim Gotthardbasistunnel, der schon in Betrieb ist, stimmt die Produktivität nicht mit den Erwartungen überein. Gründe sind die Trassenplanung, die international schleppend abgestimmt wird, und die langwierige Verknüpfung der Netze. Auch können Züge nicht in allen Anrainerländern in der wirtschaftlichsten Länge fahren.
Steuerung via Internet
Ein ganz neuer Ansatz ist das Konzept einer Alpentransitbörse. Sie behandelt den Straßengüterverkehr als beschränktes Gut und definiert eine mengenmäßige Obergrenze – zum Beispiel eine Million Durchfahrten pro Jahr. Die Idee ist, das Internet zu nutzen, um mit Transitbewilligungen zu handeln. Nur damit wird es dann möglich sein, über einen festgelegten Alpenübergang zu fahren. Der Preis richtet sich dabei nach der Nachfrage. Als oberer Preisdeckel werden sich vermutlich die Kosten für einen Transport per Zug etablieren. Da die EU-Politik ein vorsichtiges Interesse an einer Alpentransitbörse unter Einschluss der Schweiz zeigt, ist mit einer entsprechenden Anpassung der EU-Gesetze zu rechnen.
Fazit: Die Zukunft des Alpentransits ist ein Balanceakt zwischen freiem Warenverkehr und Umweltgesichtspunkten. Das Transportmittel Lkw ist dabei klar in der Defensive und wird stärker reglementiert werden.
Schwerlastverkehr per Lkw – ein Problem für die Alpen
- Täler und Städte werden zu Verkehrsengpässen
- Hohe Belastung der Bevölkerung sowie von Fauna und Flora durch Lärm und Abgase, in der Folge Gesundheits- und Umweltschäden
- Versiegelung der Landschaft, dadurch verstärktes Auftreten von Muren (Schlammlawinen), Lawinen und Überschwemmungen
- Kilometerlange Rückstaus bei Sperrungen oder Blockabfertigung
- Beeinträchtigung von Wirtschaftszweigen wie Tourismus und Landwirtschaft