Internationale Konflikte sind aktuell die größte Gefahr für Wachstum und Stabilität der Logistikbranche – das ist eine zentrale Erkenntnis der aktuellen IRU-Studie „The Future of Road Transport". In der Digitalisierung sieht die Branche auf der anderen Seite ihre größten Zukunftschancen.
Wie wird sich der Welthandel entwickeln, welche Einflüsse und Faktoren sind dabei entscheidend für den globalen Straßengüterverkehr? Diese Fragen bewegten den IRU Weltkongress im November 2018 in Maskat, Oman. Wichtige Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Fragen gab die Branchenumfrage „The Future of Road Transport“, die der Veranstalter initiiert hatte.
Geopolitische Unwägbarkeiten
57 Prozent der Befragten sehen durch die geopolitische Unsicherheit ihr Unternehmen gefährdet. Auf Platz zwei stehen die Möglichkeit einer erneuten weltweiten Rezession und die Sorge, mit der steigenden Kundennachfrage Schritt halten zu können. „Angesichts des turbulenten politischen und wirtschaftlichen Klimas von heute ist es kein Wunder, dass in der globalen Straßenverkehrsbranche ein Gefühl der Unsicherheit und Besorgnis herrscht,“ erklärt IRU-Geschäftsführer Boris Blanche. „Handelskriege, Brexit und die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise bedeuten, dass die Transportunternehmen heute vor eine nie da gewesene Herausforderung gestellt werden.“
Für die europäischen Transportunternehmen sind zudem die weitreichenden Auswirkungen des EU-Mobilitätspakets ein erhebliches Problem. 48 der befragten Unternehmer aus Europa sehen diese kritisch und bewerten die Gesetzesinitiative als Überregulierung.
Digitalisierung braucht Ressourcen
Die meisten der befragten Manager rechnen mit deutlichen Effizienzgewinnen durch Digitalisierung und Automatisierung, gut die Hälfte ist aber der Meinung, dass längst nicht alle Auswirkungen der technischen Entwicklung voll durchdacht sind. In vielen Teilen der Welt fehlten immer noch die Ressourcen oder Infrastruktur, um von der Digitalisierung zu profitieren, stellt IRU-Generalsekretär Umberto de Pretto im Vorwort der Studie mahnend fest. Trotz dieser Herausforderungen sieht die Branche immense Chancen, die technische Innovationen in einem immer wettbewerbsintensiveren Geschäftsumfeld eröffnen können.
Mehr Vernetzung und Autonomes Fahren
80 Prozent der Interviewten sind der Ansicht, dass neue Lösungen für das Flottenmanagement, neue digitale Plattformen für Fahrzeuge und Telematik an Bord die Produktivität weiter steigern. Beim Nutzen für die Umwelt sehen sie eine höhere Motoreffizienz als die größte Chance.
Transportunternehmen in Asien sehen Klima- und Umweltveränderungen als weitaus größere Bedrohung an als Betreiber in Europa und diejenigen im Gebiet des Golf-Kooperationsrats. Dies könnte auch die Explosion der Nachfrage nach Fracht- und Mobilitätsdienstleistungen in den letzten Jahrzehnten in Asien widerspiegeln. Das Thema „Autonomes Fahren“ ist für drei Viertel der Befragten innerhalb des nächsten Jahrzehnts eine Option. Ein Drittel ist sogar zuversichtlich, dass dies in den nächsten fünf Jahren kommen könnte.
Umweltschutz muss bezahlbar sein
Gleichzeitig nimmt die Reduzierung des CO2-Ausstoßes des Straßenverkehrs mit zunehmendem Frachtaufkommen für Regierungen und internationale Organisationen oberste Priorität ein. Zweifellos unternimmt die Branche wichtige Schritte bei der Verringerung der Emissionen. Das reicht jedoch nicht, es muss mehr passieren. Gleichzeitig gilt es aber auch anzuerkennen, dass weitere Investitionen in sauberere Technologien für einige kleinere Betreiber eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.
Klare Handlungsaufforderung
Zusammengefasst ist die Studie eine Aufforderung für Regierungen und Industrie zur Verbesserung der Infrastruktur und Schaffung eines wirksamen Regulierungsrahmens. Die IRU sieht sich dabei selbst als Mittler und arbeitet eng mit Regierungen, politischen Entscheidungsträgern und dem Transportgewerbe zusammen, um bestmögliche Rahmenbedingungen für die Frachtunternehmen zu erzielen.
„Dies bedeutet, zusammen zu arbeiten, um harmonisierte Grundsätze für Zollprozesse und Nachhaltigkeit zu schaffen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu gewährleisten,“ erläutert Boris Blanche. „Und es bedeutet, dass alle Transportunternehmer unabhängig von ihrer Größe und ihrem Standort die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um von den technologischen Fortschritten zu profitieren.“ Nur durch eine stärkere Kooperation lassen sich die Hindernisse, die einem echten Fortschritt der Branche im Weg stehen, erfolgreich überwinden.
IRU-Studie: The Future of Road Transport
Der Bericht untersucht die Herausforderungen und Chancen im Straßentransportsektor. Methodisch basiert die Studie auf ausführlichen Interviews mit 450 Vertretern von Transportunternehmen, Maklern und Speditionsunternehmen aus 19 Ländern in Europa, Asien und aus der Region des Gulf Cooperation Council (GCC). Um ein ausgewogenes Bild zu erhalten wurden pro Land Quoten festgelegt, bei jeweils 150 Befragten pro Region. Mindestens 50 Prozent der Interviewpartner waren CEOs/Manager aus der Logistikabteilung. So entstand ein globales Bild zur Sicht der Transportunternehmen auf die Zukunft und zu den Risikofaktoren der kommenden Jahre.