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Multimodal um die halbe Welt

DHL liefert im Auftrag von Fiat Motoren von Italien nach Japan. Der Transport ist multimodal. Die Lieferzeit von Tür zu Tür beträgt nur 35 Tage. Wie funktioniert das?

Seit Sommer 2016 organisiert die Deutsche Post DHL für den Konzern CNH Industrial den multimodalen Transport von 100 Containern mit Transportermotoren von Italien nach Japan. CNH Industrial ist durch die Fusion von CNH Global und Fiat Industrial parallel zu Fiat Chrysler Automobiles entstanden und umfasst aktuell zwölf Marken – unter anderem Iveco, Case IH, Steyr, New Holland und Magirus. Für den Transport der Motoren ist man einen innovativen Weg gegangen: Entlang der „neuen Seidenstraße“, einem großen und von der chinesischen Staatsregierung geförderten Infrastrukturprojekt zwischen Asien und Europa, werden dabei die Verkehrsträger Straße, Bahn und See genutzt. Die Gesamtlaufzeit des Transports von Tür zu Tür beträgt rund 35 Tage.

„Diese Verkürzung der Laufzeit war auch der Hauptgrund für CNH Industrial, sich für die Lösung über den Landweg in Richtung Japan zu entscheiden“, erklärt Thomas Kowitzki, Head of Multimodal bei DHL Freight. „Auf dem Seeweg dauert dieser Transport etwa 60 bis 65 Tage.“

Multimodaler Transport

Der CNH-Industrial-Transport beginnt in Neapel, wo DHL zunächst leere Container in den Prozessablauf einschleust und diese in das CNH-Industrial-Motorenwerk in Foggia verbringt. Dort wird die Ware in die Container verladen, zurück am Intermodal-Hub in Neapel übernimmt dann der italienische Bahndienstleister CEMAT den Schienentransport der Motoren nach Nürnberg. Das dortige Rail Terminal ist für die Anbindung in Richtung China bestens geeignet, zahlreiche Bahntransporte laufen über dieses Hub. In Nürnberg erfolgt der Umschlag der CNH-Industrial-Motoren auf einen DHL-Zug zunächst bis ins polnische Terminal Małaszewicze direkt an der EU-Außengrenze zu Weißrussland. Dieses Terminal nimmt eine Schlüsselrolle für Bahntransporte in Richtung Osten, von und nach China, ein und ist zentraler Knotenpunkt für viele Unternehmen. „In Małaszewicze betreiben wir ein eigenes Büro mit Warenumschlag, das unsere sämtlichen China-Verkehre koordiniert und innerhalb des Gesamtnetzes steuert“, sagt Kowitzki. „Für die Bahntransporte für CNH Industrial nutzen wir von hier aus den sogenannten Westkorridor über Kasachstan bis in die westchinesische Metropole Chengdu.“ Dies hat sich als die optimale Alternative in diesem Fall erwiesen.

Die neue Seidenstraße – mehr als eine Handelsroute

Mit der Wiederbelebung der alten Handelsroute über die Seidenstraße will China den Handel zwischen Asien und Europa intensivieren. Dabei treibt die chinesische Regierung eine Strategie zur verkehrstechnischen Erschließung von Zentralasien voran, die sowohl über den Landweg („Neue Seidenstraße“) als auch über den Seeweg („Maritime Seidenstraße“) verwirklicht werden soll. Ziel des Projekts ist es, 65 Länder und 4,4 Milliarden Menschen durch Zug- und Straßenverbindungen sowie durch eine maritime Route mit Tiefseehäfen von China über Ostafrika bis an die Nordsee zu verbinden. Seit Juni 2013 verkehren Züge von DHL auf einem Teil dieser Route.

Im Rail Hub Chengdu, in dem alle Züge zwischen Europa und China konsolidiert werden, arbeitet DHL mit dem chinesischen Bahndienstleister CDIRS zusammen. Ab Chengdu kommen dann DHL-Trucks zum Einsatz, die die CNH-Industrial-Motoren zum Hafen Shanghai bringen. Von dort aus geht es via Short Sea Carrier, also im Kurzstreckenseeverkehr, in den Hafen von Yokohama und damit direkt in das Hauptwerk des Automobilkunden in Kawasaki.

„Die zentrale Herausforderung für uns besteht in diesem Projekt in der effizienten Koordination aller an dem Transport beteiligten Verkehrsträger“, sagt Thomas Kowitzki. „Da das Thema Geschwindigkeit in diesem Prozess absolut erfolgskritisch für alle Beteiligten ist, benötigen wir schnellstmögliche Umschlagzeiten über verschiedene Standorte hinweg.“ Das zu planen und quasi Hand in Hand zu organisieren, sei keinesfalls trivial. „Wenn der eine Verkehrsträger an seinem Ziel ankommt, muss der nächste direkt bereitstehen“, so Kowitzki.

„Unser ganz großer Vorteil dabei ist, dass wir an sämtlichen Schnittstellen zum Teil mit eigenen Niederlassungen vertreten sind und so unmittelbar Zugriff auf die eingesetzten Verkehrsträger haben.“ Aufgrund weltweiter Präsenz könne man das Netzwerk permanent optimieren und die steigende Nachfrage nach effizienter Routenführung sowie multimodalen Transporten abdecken.

40-Fuß-Container nonstop

Mit diesem ganzheitlichen Ansatz erfülle man außerdem eine Hauptanforderung von Seiten CNH Industrial: Es war in diesem Fall von Kundenseite ausdrücklich nicht gewünscht, eine Vielzahl verschiedener Dienstleister am Prozess zu beteiligen – eindeutige Priorität hatte für den italienischen Automobilhersteller die Steuerung der Transportkette aus einer Hand. Denn so sollten Kommunikations- und Schnittstellenprobleme minimiert sowie ein verantwortlicher Systemdienstleister als zentraler Ansprechpartner installiert werden. „Da haben wir als DHL natürlich einen erheblichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern“, sagt Kowitzki.

Weiterer Ausbau geplant

„Das Geschäft entlang der neuen Seidenstraße entwickelt sich für uns im Moment sehr erfreulich“, sagt Kowitzki. „Die Volumina steigen, wir betreiben täglich Züge in beiden Richtungen.“ Der Schienentransport von Europa nach China sei für viele Verlader auch deshalb so ausgesprochen interessant, weil auf diesem Weg als Alternative zu See- und Luftfracht große Ladung schnell beziehungsweise kostengünstig transportiert werden könne. Und je mehr Volumen über die Relation bewegt werde, umso mehr profitieren Verlader und DHL von effizienten Rundläufen und erzielen Skaleneffekte. Zwar liege das Übergewicht beim Volumen nach wie vor auf der westwärts gerichteten Route von China nach Europa – der Anteil an Transportaufkommen von Europa Richtung China sei in den vergangenen Jahren allerdings stetig gestiegen. Mittlerweile betrage dieser etwa ein knappes Drittel.

Überhaupt sieht DHL großes Wachstumspotenzial in der Region Mittel- und Ostasien. Stand dabei bislang eher die Relation Europa – China im Mittelpunkt der Interessen, könnten zukünftig auch Anrainerstaaten von einer multimodalen logistischen Abwicklung profitieren. „Wir erhalten immer mehr Anfragen aus Vietnam, Taiwan oder Südkorea“, sagt Thomas Kowitzki. „Auch eine mögliche Verknüpfung mit weiteren Kontinenten auf Basis der bestehenden Kernverbindung zeichnet sich heute bereits ab.“ So realisiert DHL derzeit unter anderem eine Relation Taiwan – China – Europa – Tunesien. Auch teste man erste Züge über den sogenannten Südkorridor von China über die Türkei nach Europa als mögliche weitere attraktive Route für die Zukunft.

Aber auch andere Verkehrsträger spielen für DHL eine wichtige Rolle: Mit dem Drehkreuz der „maritimen Seidenstraße“ im griechischen Piräus soll der Handel zwischen Asien und Europa ebenfalls weiter beschleunigt werden – als multimodale Seefracht- und Straßentransportlösung für Sendungen zwischen Europa, Asien, Nordafrika und dem Nahen Osten.

Dieser Beitrag erschien in „Der Bahnmanager – das Wirtschaftsmagazin für den Schienenverkehr“ (Ausgabe 4/2016), www.bahn-manager.de

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