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Die 4 Dimensionen der Lieferketten-Diversifizierung

Komplexe globale Lieferketten mit einer Vielzahl von Akteuren auf der einen Seite, ständige Herausforderungen an die Agilität und Resilienz der Lieferketten auf der anderen. Vor diesem Hintergrund suchen viele Unternehmen nach Möglichkeiten, Abhängigkeiten durch eine Diversifizierung der Lieferketten zu reduzieren. Einen gezielten Lösungsansatz hierzu bietet das 4-Dimensionen-Modell aus dem neuen DHL Trend Report Supply Chain Diversification (deutsch: Diversifizierung der Lieferkette).

Resilienz für globalisierte Lieferketten

Volatilität, Störungen, Unterbrechungen – vergangene, gegenwärtige und zukünftige Krisen belasten die Lieferketten. Zahlreiche Unternehmen haben erkannt, dass eine Abhängigkeit von einem bestimmten Land, einer einzigen Handelsroute oder einer singulären Bezugsquelle das Risiko für die Lieferketten erhöht.

Diversifizierung bedeutet die Abkehr von linearen Lieferkettendesigns. Auch wenn die Diversifizierung der Lieferkette keine strategische Notwendigkeit für jedes Unternehmen darstellt, sollten Unternehmen, die auf logistische Dienstleistungen angewiesen sind, regelmäßig eine strategische Überprüfung ihrer aktuellen Lieferkette durchführen, um die bestehenden Risikosituation zu bewerten und zu entscheiden, ob Veränderungen notwendig sind.

Das DHL 4-Dimensionen-Modell

Das neue mehrdimensionale Supply Chain Diversifizierungsmodell von DHL hilft bei dieser Bewertung und der Entwicklung sowohl taktischer als auch strategischer Szenarien. Es bildet die Komplexität und Vielseitigkeit der Lieferketten ab und kann auf bestimmte Produktlieferketten, komplette Lieferkettennetzwerke und ganze Geschäftseinheiten oder Märkte angewendet werden.

Denn jede Lieferkette ist einzigartig und ihre Diversifizierung kann von einfachen Anpassungen einzelner Glieder bis hin zu umfassenden Neukonfigurationen ganzer globaler Netzwerke reichen. Die 4 Dimensionen des Modells wurden entwickelt, um einen auf die individuellen Bedarfe zugeschnittenen Ansatz anzubieten. Jede Dimension kann nach oben oder unten skaliert werden, um den aktuellen Diversifizierungsgrad zu bewerten und gegebenenfalls den gewünschten zu definieren.

Die erste Dimension betrifft die Diversifizierung auf geografischer Ebene. Multi-Shoring meint in erster Linie die Schaffung redundanter Produktionskapazitäten oder den Aufbau zusätzlicher Zulieferstandorte in voneinander unabhängigen Regionen. Dies kann durch den Aufbau zusätzlicher Standorte in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten geschehen, um Betriebs-, Compliance- oder Reputationsrisiken zu reduzieren.

Multi-Shoring muss nicht notwendigerweise zu zusätzlichen Lieferanten führen, sondern kann auch bedeuten, dass weitere Standorte desselben Lieferanten involviert sind, beispielsweise indem das gleiche Produkt von zwei verschiedenen Werken bezogen wird.

Das Spektrum bei der Multi-Shoring-Diversifizierung reicht von einem wenig komplexen, auf ein Land beschränkten Liefernetzwerk bis hin zu einem hochkomplexen Netzwerk, das sich über mehrere Länder oder sogar Kontinente erstreckt.

Beim Multi-Sourcing im Produktions- und Lieferantennetzwerk geht es weniger um die geografische Streuung als vielmehr um Quantität. Der häufigste Ansatz für Multi-Sourcing ist die Einbindung redundanter Lieferanten in das Netzwerk. Auch die Integration zusätzlicher Fertigungskapazitäten ist eine häufige Praxis.

Die Diversifizierung durch Multi-Sourcing kann auf lokaler oder regionaler Ebene erfolgen, zum Beispiel durch die Einbeziehung eines neuen Lieferanten in derselben Region oder auf internationaler Ebene. Multi-Sourcing dient in erster Linie dazu, finanzielle oder operative Risiken zu mindern, die beispielsweise daraus resultieren, dass ein Zulieferer nicht pünktlich oder überhaupt nicht liefern kann.

Das Spektrum der Multi-Sourcing-Diversifizierung reicht von einem wenig komplexen Liefernetzwerk mit nur einem Lieferanten bis hin zu einem hochkomplexen Netzwerk mit mehreren Lieferanten auf mehreren Ebenen für jedes Einzelteil oder Produkt.

Diese Dimension der Diversifizierung bezieht sich auf den physischen Warenfluss und die Nutzung mehrerer Verkehrsträger für den Transport eines bestimmten Produkts oder Einzelteils.

Die logistischen Verkehrsträger sind Luft-, See-, Schienen- und Straßenfracht. Die Ergänzung um mindestens einen Verkehrsträger in einem beliebigen Glied der Lieferkette (First Mile, Langstrecke, Last Mile usw.) führt zu einer Diversifizierung der Lieferkette. Gleichzeitig führt die Nutzung verschiedener Verkehrsträger oder multimodaler Lösungen in der Regel auch zu einer Diversifizierung der Transportwege, was das Betriebsrisiko verringern und Nachfrageschwankungen abfedern kann.

In einem strategischen Diversifizierungskonzept stellt das Hinzufügen von Transportmitteln keinen Notfallplan dar, sondern die proaktive Bereitstellung einer parallelen Transportmethode für dieselbe Verbindung. Zu berücksichtigen ist, dass die verschiedenen Transportmittel unterschiedliche Vorlaufzeiten haben, die mit dem Geschäftsmodell in Einklang gebracht werden müssen.

Das Spektrum der Verkehrsträger-Diversifizierung reicht von einem wenig komplexen Transportmitteleinsatz mit nur einem Verkehrsträger für jedes Einzelteil oder Produkt bis hin zu einem hochkomplexen Lieferverkehr mit parallelen Transportmitteln für jedes Einzelteil oder Produkt.

Die vierte Dimension der Diversifizierung der Lieferkette betrifft die Erweiterung der logistischen Kapazitäten. Dies bedeutet, die Logistikinfrastruktur mit zusätzlichen Hubs, Lagern oder Distributionszentren auszubauen.

Dies kann bedarfsorientiert redundante Logistikkapazitäten an anderen regionalen oder globalen Standorten umfassen. Logistikprozesse zu diversifizieren kann auch bedeuten, bestimmte Logistikaktivitäten auszulagern.

Ähnlich wie Multi-Shoring und Multi-Sourcing bietet ein diversifizierter Logistikbetrieb alternative Handlungsoptionen, um die Kontinuität der Lieferkette bei Störungen aufrechtzuerhalten.

Das Spektrum der Diversifizierung im Logistikbetrieb reicht von wenig komplexen Logistikprozessen mit nur einem Logistikbetrieb für einen bestimmten Bedarf bis hin zu hochkomplexen Prozessen mit mehreren Redundanzen in verschiedenen Regionen.

Die 4 Dimensionen in praktischen Beispielen

Was können diese theoretischen Ansätze für die Praxis bedeuten? Eine Reihe von Beispielen, die reale Fälle abbilden, unterstreicht die Bedeutung jeder dieser 4 Dimensionen und veranschaulicht das weitreichende Potenzial der Lieferketten-Diversifizierung.

Die Beispiele zeigen, wie Unternehmen Diversifizierungsstrategien umsetzen, um ihre Resilienz, Kundenorientierung und Marktreaktionsfähigkeit nachhaltig zu verbessern.

Beispiele für Multi-Shoring (Dimension 1)

  • Volkswagen: Für die Produktion von Komponenten für Elektrofahrzeuge baut VW Fabriken an strategischen Standorten in Schlüsselmärkten in Europa und Nordamerika, um schnell auf Marktanforderungen reagieren zu können, Kosten zu optimieren und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
  • LEGO: Die LEGO Group investiert in eine neue Fabrik in Virginia, USA, die siebte weltweit. LEGO will Fabriken in der Nähe der größten Märkte errichten, um die Transportwege zu verkürzen, schnell auf Veränderungen der Verbrauchernachfrage zu reagieren und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
  • Technologiesektor: Hewlett Packard verlagert Teile seiner Laptop-Produktion von China nach Thailand, Apple einen Teil seiner Produktionskapazitäten von China nach Indien und Foxconn nach Vietnam. Dell will in diesem Jahr mindestens 20 Prozent seiner Laptops in Vietnam fertigen. Diese Diversifizierungsstrategie, welche Abhängigkeiten von China verringert, wird als „China+1“-Strategie bezeichnet. Die strategischen Entscheidungen ermöglichen auch auf die Nähe zu einem großen und attraktiven Kundenstamm und den Zugang zu großen und qualifizierten Arbeitskräftepotenzialen.

Beispiele für Multi-Sourcing (Dimension 2)

  • Modeindustrie: Einer der weltweit größten Modekonzerne setzt Multi-Sourcing auf globaler Ebene ein. Das Unternehmen verteilt seine Lieferkette strategisch auf Tausende von Standorten und Direktlieferanten weltweit. Dies ermöglicht es, schnell auf Spitzen in der Kundennachfrage zu reagieren und die individuellen Stärken der einzelnen Lieferanten zu nutzen. Mehrere Lieferanten bedeuten auch, dass das Unternehmen schnell auf Störungen reagieren und die Produktion umverteilen kann, um sicherzustellen, dass die Produkte immer vorrätig sind.
  • Maschinen- und Anlagenbau: Der weltweit führende Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen bezieht die gleichen Materialien von mehreren Lieferanten, um die ständige Verfügbarkeit seiner Produkte zu gewährleisten und schnell und flexibel auf Marktanforderungen zu reagieren.

Beispiele für parallele Verkehrsträger (Dimension 3)

  • Technologiesektor: Ein globales Technologieunternehmen nutzt eine Kombination aus Luftfracht für eilige und Seefracht für Build-to-Stock-Sendungen und sperrige Güter; außerdem schnelle Seefrachtdienste von China in die USA (14 Tage Laufzeit) mit der Option, bei Bedarf Expresssendungen per Flugzeug zu verschicken. Die Nutzung zusätzlicher Transportmittel erhöht die Flexibilität am Markt, verbessert die Reaktionsfähigkeit, hält die Kosten unter Kontrolle und reduziert Emissionen.
  • Life Sciences und Healthcare: Ein führendes Pharmaunternehmen setzt neben dem oft unverzichtbaren Lufttransport zunehmend auf See- und Straßenfracht, um Kosten zu senken und Emissionen zu minimieren. Diese Diversifizierung ermöglicht eine schnelle Anpassung an Markterfordernisse. Beispielsweise hat die steigende Nachfrage nach Biopharmazeutika dazu geführt, dass mehr kleinvolumige und temperaturempfindliche Sendungen anfallen. Als Reaktion darauf hat das Unternehmen seine Lieferketten um temperaturkontrollierte Optionen erweitert.

Beispiele für redundante Logistikabläufe (Dimension 4)

  • Sportausrüstung: Ein weltweit tätiger Hersteller von Sportbekleidung und -geräten stellt von einem zentralisierten auf ein dezentralisiertes und diversifiziertes Logistiknetzwerk um. Das Unternehmen liefert seine Produkte direkt von den Produktionsstätten an regionale und lokale Lager. Im Zuge dessen hat das Unternehmen auch seine Logistikpräsenz ausgebaut. Ziel dieser Supply-Chain-Strategie ist es, die Resilienz und Rentabilität zu verbessern.
  • Maschinen- und Anlagenbau: Ein europäischer Aufzugshersteller verfolgt eine ähnliche Strategie der logistischen Diversifizierung, allerdings auf regionaler Ebene. Er montiert verschiedene Teile seiner Endprodukte in unterschiedlichen Distributionszentren in verschiedenen Regionen. Ersatzteile werden hauptsächlich in den lokalen Vertriebs- und Kundenzentren der einzelnen Länder gelagert, um im Bedarfsfall eine schnelle Reparatur wichtiger Produkte zu ermöglichen. Fertigprodukte gelangen direkt von den Produktionsstätten in die Kundenzentren, um Kundenorientierung und Flexibilität zu gewährleisten.

Schritte zur eigenen Diversifizierungsstrategie

Am Anfang steht die Analyse des Ist-Zustandes. Dazu ist Transparenz über die gesamte Supply Chain für jede Dimension erforderlich: die lückenlose Abbildung der Lieferkette mit allen relevanten Lieferanten und Partnern sowie die physischen Warenflüsse.

Anschließend gilt es, den für die eigene Geschäftstätigkeit notwendigen Diversifizierungsgrad zu ermitteln und mit dem Ist-Zustand abzugleichen. Im Falle einer Diskrepanz folgt die Identifikation der notwendigen Ressourcen, um eine Entscheidung über die geeignete Strategie zu treffen.

Infobox

Trend Report „Supply Chain Diversification“ (Diversifizierung der Lieferkette)

Der DHL Trend Report „Supply Chain Diversification“ (in englischer Sprache) hilft Ihnen bei diesen Entscheidungen. Der Report illustriert Schritt für Schritt, wie Unternehmen eine firmenspezifische Diversifizierungsstrategie entwickeln und implementieren können. Um mehr zu erfahren und den Bericht herunterzuladen, folgen Sie diesem Link: www.dhl.com/supply-chain-diversification.

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