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DHL FoodLogistics Experten: Nach dem Brexit ist Zoll-Know-how gefragt

Großbritannien hat die EU verlassen. Die neuen Hürden nach dem Brexit stellen für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar. Zollspezialisten hinzuziehen, ist eine probate Lösung.

Nach dem Brexit: gut beraten mit den Zoll-Experten von DHL FoodLogistics

Die Zoll-Experten von DHL Freight Customs & DHL FoodLogistics Mario Huste und Patrick Herbold erklären, warum es jetzt, nach dem Brexit, vor allem auf die Wahl des richtigen Incoterms ankommt.

Welche Punkte aus dem Brexit-Deal sind für den Warenaustausch essenziell – bleiben wir mal bei in Deutschland ansässigen Unternehmen?

Mario Huste: Es ist ganz wichtig zu wissen, dass nun Zollanmeldungen erforderlich sind. Das ist für alle, die das erste Mal mit Zollthemen konfrontiert sind, die größte Erkenntnis: Es fallen eine Exportverzollung in Deutschland und eine Importverzollung in Großbritannien an. Das Abkommen sieht Nullzollsätze und Nullkontingente für alle Waren vor, die den entsprechenden Ursprungsregeln genügen. Um von dem Handels- und Kooperationsabkommen und den Präferenzzöllen zu profitieren, ist eine Ursprungserklärung auf der Rechnung erforderlich. Gegebenenfalls ist auch eine REX-Registrierung notwendig – wenn der Warenwert der Sendung über 6.000 Euro liegt. Abhängig von der Ware sind zusätzliche Lizenzen, Nachweise, Zertifikate erforderlich. Im Übrigen wird die Einfuhrumsatzsteuer weiterhin erhoben.

Im Warenverkehr mit Großbritannien sind nun Zollanmeldungen erforderlich, in Deutschland und in Großbritannien! Das ist für alle, die das erste Mal mit Zollthemen konfrontiert sind, die größte Erkenntnis.

Mario Huste
Head of Sales & Marketing, DHL FoodLogistics GmbH

Kleines Brexit-Zoll-Glossar

EORI-Nummer: Economic Operators’ Registration and Identification number (Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten), früher: Zollnummer. Die EORI-Nummer dient in der EU der Beteiligtenidentifikation und ist Voraussetzung für die Zollabwicklung in der EU.

Incoterm DAP: Delivered at Place (an benannten Bestimmungsort geliefert). Bei dieser Incoterms-Vertragsformel für Außenhandelsgeschäfte trägt der Verkäufer alle Kosten und Gefahren bis zum vereinbarten Bestimmungsort. Er erfüllt seine Lieferverpflichtung, wenn er die Ware entladebereit zur Verfügung stellt. Der Übergabeort sollte möglichst genau definiert sein. Denn alle Kosten und Gefahren werden bis dahin vom Verkäufer getragen. Für die Entladekosten und -gefahren ist hingegen der Käufer zuständig.

Incoterm DDP: Delivered Duty Paid Named Place of Destination (an verzollt benannten Bestimmungsort geliefert), Incoterms-Vertragsformel für Außenhandelsgeschäfte, die eine Maximalverpflichtung aus der Sicht des Verkäufers bedeutet. Demnach muss dieser die Ware auf eigene Kosten und Gefahr bis zum Bestimmungsort im Zielland liefern, alle Formalitäten erledigen und neben sämtlichen Kosten auch alle Einfuhrabgaben tragen.

Nichttarifäre Maßnahmen: Maßnahmen, die nicht in Listen oder Zolltarifen geführt werden und ausländischen Teilnehmern den Marktzugang erschweren. Dazu zählen Lizenzen, Nachweise oder Zertifikate, Normen, Herkunftsbezeichnungen, Importdokumente, Formalitäten und Verwaltungsverfahren.

Nullzollsätze/Nullkontingente: Im Kooperations- und Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland wurde ein Zollverbot ausgehandelt. Dabei handelt es sich um ein bilaterales Abkommen, in dem keine Zollabgaben vorgesehen sind, insofern man den Ursprung belegen und nachweisen kann.

Präferenzzoll: ein im Handelsabkommen ausgehandelter Zollsatz, der einen Handelspartner gegenüber anderen begünstigt.

Was sollten Unternehmen tun, die Transporte nach Großbritannien haben?

Patrick Herbold: Viele Unternehmen, die bisher ausschließlich im EU-Binnenmarkt tätig waren, sind mit den neuen Zollformalitäten massiv überfordert. Es sind nun essenzielle und strategische Fragen, mit denen sich Unternehmen konfrontieren müssen: Sind die Incoterms, wie vor dem Deal mit den britischen Käufern vereinbart, noch sinnvoll? Können die Vertragspartner die damit einhergehenden Voraussetzungen umsetzen? Sollte sich das Unternehmen in Großbritannien niederlassen? Sind die Produktpreise für den Endverbraucher in Großbritannien noch lukrativ, wenn zusätzliche Kosten, etwa für Zoll-Formalitäten, hinzugerechnet werden? Rechnet sich der Business Case?

Was ratet Ihr Unternehmen, die Euch als Zoll-Berater einstellen?

Patrick Herbold: Die Wahl der richtigen Incoterms-Klausel spielt eine besonders wichtige Rolle. Darauf möchten wir hier näher eingehen. Nach unseren Praxiserfahrungen mit B2B-Unternehmen liegt zwischen dem Verkäufer in Deutschland und dem Käufer in Großbritannien oft die Vereinbarung mit dem Incoterm DDP vor. DDP „geliefert/verzollt“ bedeutet: Der Verkäufer trägt alle Kosten, Gefahren sowie die Verantwortung für die zollrechtlichen Angelegenheiten. Das gilt für die Ausfuhr aus Deutschland und die Einfuhr nach Großbritannien. Der Verkäufer ist damit für die Zollabfertigung in Großbritannien verantwortlich. Er kann dies aber nicht selbst vornehmen, da er dort nicht ansässig ist. Die Vereinbarung der Lieferklausel DDP kann in der Praxis kaum umgesetzt werden. Sie ist derzeit ungeeignet für Handel mit Großbritannien und mit vielen Hemmnissen und mit Risiken für den Verkäufer verbunden. Davon können wir nur abraten.

Wieso sind denn die richtigen Incoterms so wichtig?

Patrick Herbold: Den Incoterms wird viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei regeln sie wichtige Aspekte einer Transportabwicklung inklusive Verzollung, Kosten und Verantwortung. Zudem steht hinter jeder Lieferklausel ein definierter Ort, an dem Risiko und Kosten vom Verkäufer an den Käufer übergehen. Wer präzise Lieferbedingungen aushandelt, kann also besser kalkulieren. Er hat auch bei Transportschäden oder Verzollungsproblemen eine klare Handhabe.

Wie sollten Unternehmen die Lieferklausel festlegen?

Patrick Herbold: Wir raten ihnen, mit ihren Vertragspartnern in Großbritannien intensiv in den Dialog zu gehen. Sie sollten diese Lieferklauseln – vor dem Hintergrund, dass Großbritannien jetzt ein Drittland ist – anpassen und zum Beispiel auf DAP ändern. Wichtig ist hier, grundsätzlich zu verstehen: Nur in Großbritannien ansässige Unternehmen können Zollanmeldungen abgeben und zollrechtliche Bewilligungen erhalten.

Und wenn Unternehmen dieses Problem nicht gelöst bekommen?

Patrick Herbold: Es gibt drei Möglichkeiten für Unternehmen, die das DDP-Problem mit ihren Kunden nicht gelöst bekommen:

Erstens die indirekte Vertretung durch einen Zolldienstleister in Großbritannien: Dieser agiert als indirekter Vertreter für sie und gibt die Zollanmeldung im eigenen Namen, aber für Rechnung des Einführers ab. Die Herausforderung ist jedoch, dass dies die meisten Zolldienstleister nicht machen wollen. Denn der indirekte Vertreter haftet für alle Rechtsfolgen des Zollverfahrens gesamtschuldnerisch mit der Person, für dessen Rechnung er gehandelt hat. Damit einher geht ein unkalkulierbares Risiko von Nacherhebungen von Eingangsabgaben, die über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren nach der Abfertigung anfallen können. Somit ist diese Option sehr unwahrscheinlich.

Zweitens könnte das deutsche Unternehmen eine Großbritannien-Gesellschaft mit britischer Betriebsstätte gründen, insofern dies aus geschäftsstrategischer Sicht sinnvoll ist. Wenn der britische Markt bearbeitet werden soll, ist dies zumindest eine tragfähige Variante. Wichtig ist, dass die Gesellschaft in Großbritannien physisch niedergelassen sein muss. Eine Briefkastenfirma ist nicht zulässig. Diese britische Gesellschaft ist dann der Käufer der Ware und agiert als „Importer of Records“ (verantwortlicher Importeur). Dafür braucht sie einen Eintrag in das britische Gesellschaftsregister, eine VAT-Registrierung und eine britische EORI-Nummer. Das deutsche Unternehmen kann dann die Ware zum Beispiel mit dem Incoterm DAP an die verbundene britische Gesellschaft verkaufen. Diese ist verantwortlich für die Einfuhrverzollung. Nachdem die Ware angemeldet und in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurde, kann diese durch die britische Gesellschaft an den Endverbraucher weiterverkauft werden.

Drittens könnte das Unternehmen einen Partner in Großbritannien finden, der die Rolle und Pflichten eines „Importer of Records“ vollumfänglich übernimmt. Diese Variante kommt in Betracht, so lange dies dem Kontext der Geschäftsstrategie entspricht.

Es ist wichtig, dass Unternehmen den britischen Markt strategisch neu analysieren und betrachten – sprich: ihre Supply Chain genau überprüfen sowie ihre damit verbundenen Kosten.

Patrick Herbold,
Business Development Customs, Senior Customs Consultant und Field Sales Executive, DHL FoodLogistics Deutschland

Wie kann DHL FoodLogistics Unternehmen mit Warentransporten nach Großbritannien unterstützen?

Patrick Herbold: Hat man die Kompetenz nicht inhouse, ist es sinnvoll, sich nun gut beraten zu lassen. Jedes Unternehmen, jede Ware hat ihre Besonderheiten. Diese und die zollrechtlichen Aspekte sind genau zu betrachten. Wir bieten Unternehmen Zoll-Beratungen, virtuelle Workshops und Seminare an. Dabei gehen wir mit ihnen Schritt für Schritt die zollrechtlichen Fragen durch, analysieren den Status quo und erarbeiten neue Lösungen für den britischen Markt.

Mario Huste: Im Bereich Lebensmittel-Logistik haben wir in den letzten Wochen einigen neuen Kunden geholfen, den britischen Markt in puncto Zoll und Transport aufzuschalten. Hier können Unternehmen zum einen von unserem Zoll-Know-how und zum anderen von unseren Logistiklösungen für Lebensmittel profitieren.

Sie brauchen Zoll-Beratung für UK oder eine Logistiklösung für temperaturgeführte Transporte nach UK? Kontaktieren Sie uns noch heute – wir unterstützen Sie gern: sales.foodlogistics@dhl.com

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